Schlosspark, Gartenhaus oder kleines Schloss

Alle Welt spricht vom Schloss Borbeck, vom Schlosspark und vom Wirtschaftsgebäude. Mit Recht, bilden sie doch zusammen ein einzigartiges historisches Ensemble. In Vergessenheit geraten ist darüber ein anderes Gebäude mit einer langen Geschichte. Gemeint ist das zum Schloss gehörige Gartenhaus, auch „kleines Schloss“ genannt. Es lag, wie auf einer historischen Karte aus dem Jahre 1803 zu sehen ist (s.oben), oberhalb der Gärten von Schloss Borbeck an der von Oberhausen nach Mülheim führenden Chaussee. Heute ist das der Kreuzungsbereich Neuweselstraße/Schlossstraße.

Das Gartenhaus oder kleine Schloss entstand wahrscheinlich unter Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen und Polen (1776-1802) nach Plänen des Architekten François Joseph Duker, der auch an der Gestaltung des Schlossparks maßgeblich mitgewirkt hat. Über Ausstattung und Zustand des Gebäudes liegen vor allem Zeugnisse aus der Zeit nach der Säkularisierung vor.

Der damals auf Schloss Borbeck tätige Oberförster Paslach erstellte auf Anweisung der Westfälischen Kriegs- und Domänenkammer in Hamm im Oktober 1803 eine detaillierte „Taxation“ der zum Schloss gehörenden Gebäude. Zum kleinen Schloss machte er folgende Angaben: „Dieses Haus liegt dicht an der Chaussee im Garten des Schlosses, es ist massiv, von Mauersteinen 2 Etagen hoch aufgeführt, mit Schiefer auf den Firsten und mit glasurten Pfannen gedeckt.“ Paslach erwähnt noch einen zweistöckigen und einen einstöckigen Flügelanbau, wobei letzterer als Pferde- und Kuhstall diente.

In der öffentlichen Ausschreibung zur Vererbpachtung im Jahre 1804 wurde dem kleinen Schloss attestiert, dass es sich in einem guten Zustand befinde, tapezierte Zimmern aufweise und überall mit Öfen versehen sei. Im Reisebericht von Ferdinand August Freiherr Spiegel zum Desenberg, dem späteren Erzbischof von Köln, las sich das im Juni 1804 etwas anders: „Ein ansehnlicher, in oekonomischer Hinsicht gut angelegter Gemüsegarten reichlich mit jungen Obstbäumen besetzt, macht auch einen Theil der Anlage aus. Daselbst ist ein leicht, aber geschmackvoll gebautes Gartenhaus. Graf Eicholt, Geschäftsmann der Frau Fürstin, hat es bis zu seinem Absterben bewohnt. Jetzt steht der obere Theil leer und verfällt; den unteren Theil bewohnt der Anpächter des Gemüsegartens.“

Den zeitgenössischen Quellen zufolge muss man vom kleinen Schloss von der Anhöhe aus einen wunderschönen Blick über das Dorf Borbeck und das Emschertal gehabt haben. Jedenfalls wurde dem Pächter 1805 vertraglich untersagt, die Fläche gegenüber der heutigen Schlossstraße zu bebauen. Aus der Zeit der Verkaufsverhandlungen zwischen dem Grafen von Westerholt und dem Freiherrn Friedrich Leopold von Fürstenberg um 1826 stammt eine  mit Vorsicht zu genießende Beschreibung des Gebäudes: „Das an der unteren Seite des Guts liegende sogenannte kleine Schloss hat zwischen 20-30 Zimmer (!), ein Teil tapeziert, ebenfalls mit Öfen und die Küche mit Koch-Maschinen (!) versehen, gewölbte Keller, Stall für 6 Pferde, Kuhstall kann gleich bezogen werden.“

Der neue Besitzer, die Familie Fürstenberg, musste zahleiche Reparaturen am Schloss und an den Nebengebäuden durchführen lassen. So musste im Januar 1827 das Dach vom kleinen Schloss repariert werden. Weitere Ausbesserungsarbeiten am Gartenhaus bzw. kleinem Schloss, wie zum Beispiel der Wiederaufbau des südlichen Flügelgebäudes im Jahre 1837, wurden unter Anleitung des Architekten Heinrich Theodor Freyse vorgenommen, von dem auch der Entwurf für das Wirtschaftsgebäude am Schloss stammt.

Wie das kleine Schloss sich dann nach den Reparatur- und Umbaumaßnahmen einige Jahre später präsentierte, geht aus einer Inventarliste aus dem Jahre 1844 hervor: „Das sogenannte kleine Schloss, 85 Fuß lang, 35 Fuß breit und 25 Fuß hoch. Dasselbe enthält im Souterrain einen großen, mit Gewölben überspannten Keller; im Erdgeschoss befinden sich ein Gang, eine Küche, fünf Zimmer und die Orangerie. In der Etage zehn Zimmer und ein Gang und ferner im Dachboden drei Zimmer und hierüber Bodenraum. Das Dach ist mit Ziegeln bedeckt […] Die zum kleinen Schloss gehörige Stallung, welche 54 Fuß lang, 11 Fuß breit und 17 Fuß hoch ist, aus Fachwerk mit Ziegelausmauerung erbaut und das Dach mit Ziegeln gedeckt.“ (Zur Erläuterung: 1 Fuß waren damals etwas mehr als 31 Zentimeter.)

Eine Zeitlang soll der damalige Borbecker Bürgermeister Stock (im Amt bis 1840) im kleinen Schloss gewohnt haben. Im Januar 1869 schlug des kleinen Schlosses letzte Stunde. Der Borbecker Bauunternehmer Pothmann legte es für 130 Taler nieder. Die Überreste wurden für 900 Taler verkauft. Zweifel an dieser Version nährt eine Quelle aus dem Jahre 1888, wonach besagtes Gartenhaus zusammen mit dem Ökonomiegebäude verpachtet worden sei. Wie dem auch sein mag. Das kleine Schloss hatte seine Geschichte. Sie kann ihm niemand nehmen.  (FJG)

 

Quellen: Schloss Borbeck und sein Park. Oberhof-Wasserburg-Lustschloss – Residenz und Bürgerzentrum im Wandel der Jahrhunderte. Herausgeber Kultur-Historischer Verein Borbeck e.V., Redaktion: Birthe Marfording,  Essen 1999. – Andreas Koerner: Das Gartenhaus von Schloß Borbeck. In: Borbecker Beiträge 1/2007, S. 16/17. – Willi Bonczek: Essen im Spiegel der Karten. Historische Karten und Stiche vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Essen 1975.

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