Marienhäuschen

Hellblau gestrichene Balken, mit weiß geschlämmten Ziegeln ausgefacht, schwarzes Schieferdach, neben der mittigen weißen Türe lassen zwei galerieartig abgetrennte Fenster einen Blick in das Innere zu: Seit fast 240 Jahren steht dieser fast quadratische kleine Fachwerkbau mittlerweile an der heutigen der Münstermann-/Ecke Gerschederstraße. Das verrät eine Inschrift auf dem Schmuckbalken: „Henrich Monstermann Gertrut Marren E AN 1784 L“ ist dort zu lesen - die beiden Eheleute (dafür stehen die beiden Buchstaben E und L) sind die Stifter der „Hirtenkapelle“ oder „Marienhäuschens“, wie es auch genannt wird. Weil es „aus volkskundlichen Gründen erhaltens- und nutzenswert“ ist, wurde es am 14.2.1985 in die Denkmalliste der Stadt Essen eingetragen.

Eine alte Legende

Das kleine Gebäude verweist wie der Beckermannshof und der Kerkmannshof auf die alte bäuerliche Prägung des Ortsteils Gerschede. Auch die Entstehungslegende, die Josef Wess (1887-1959) in seiner Jugend von den Prumenköttern hörte und die von Paul Freres in seinem Buch „Kreuze am Wege“ festgehalten hat, geht in diese Zeit zurück, in der das Stift Essen von der letzten Fürstäbtissin Maria Cunigunde von Sachsen und Polen (1740-1826) regiert wurde. Danach zog 1784 an einem heißen Sommertag vom Rhein her ein schweres Gewitter durch das Emschertal heran. Um noch vor Ausbruch des Gewitters den schützenden Stall zu erreichen, trieb ein Schafhirte seine Herde zusammen und erreichte den Düppenberg, als das Unwetter losbrach. Wo jetzt das Kapellchen steht, drängten sich die Schafe unter eine dichte Baumgruppe zusammen. Der Hirte aber wollte mit ihnen einige hundert Meter entfernt liegenden Stall erreichen. Doch so sehr er seine Schafe auch antrieb - sie wollten nicht weg. Zu seinem Glück, denn ein großer Blitz fuhr nieder und schlug in den Stall. Der Besitzer der Schafherde, Heinrich Monstermann, ließ darum zum Dank für die wunderbare Fügung unter der Baumgruppe die Kapelle zu Ehren Mariens errichten. Der Hirte soll sein jüngerer Bruder Johannes gewesen sein.

Segensstation für Prozessionen

Ob es genauso gewesen ist, lässt sich heute natürlich kaum noch sagen. Doch verweist eine weitere Widmung im Fachwerkholz auf eine ausgeprägte lokale Marienverehrung: Die Balken links und rechts in mittlerer Höhe der Tür tragen die eingeschnitzte Inschrift „Marianische Flechkinder Her Besorge die Armen“. Das wie ein Kurzgebet gefasste Bekenntnis der „Pflegekinder Mariens“, die um ihren Schutz flehen, ist damit ergänzt um die Bitte, dass Gott (Her) für die Armen sorgen möge. Das Gebäude selbst diente als Segensstation bei örtlichen Marienprozessionen und wurde neben einer weiteren Kapelle sowie drei Hagelkreuzen als eine alte Segensstation bei der „Großen Borbecker Gottestracht" von der Borbecker Mark unterhalten. Zudem diente sie als Segensstation bei der Fronleichnamsprozession der Pfarrei St. Paulus.

Renovierungen und Unterhalt

Wie eine weitere Balkeninschrift zeigt, ist das Bethäuschen 1912, knapp 130 Jahre nach seinem Bau, von Hermann Knümann und Anna Katharina Bäcker erneuert worden, die den benachbarten Münstermann-Kotten 1878 erworben hatten. Im Juli 1949 berichten die Borbecker Nachrichten vom Wiederaufbau der Kapelle durch Gerscheder Bürger - danach soll das Mauerwerk damals ganz zusammengebrochen sein. Das Material zur Renovierung wurde damals von Krupp gespendet. 1980 veränderte sich das Erscheinungsbild der Kapelle maßgeblich, als die riesige alte Kastanie, unter der sie ursprünglich stand, gefällt werden musste. Beim Verkauf des Grundstücks durch ThyssenKrupp wurde erneut Baufälligkeit festgestellt und eine grundlegende Restaurierung eingeleitet.

Am 31.10.2008 wurde das erneuerte Marienhäuschen auf der nun Ulrich Nosek gehörenden Parzelle in einer Lichtfeier geweiht und seiner Bestimmung neu übergeben – all dies geht aus dem Faltblatt hervor, das damals herausgegeben wurde und in einem Ständer links vom Gebäude immer zur Verfügung steht. Die Finanzierung wurde durch Spenden und den Verkauf eines „Marientalers“ sichergestellt, der eine schematische Darstellung der Kapelle zeigt.

Ausgestattet ist die Kapelle heute mit einer Marienstatue des Bottroper Bildhauers Johannes Fischerdick (1908-1984), die in der Dellwiger Kirche St. Hermann-Josef am Vorabend des Festes Maria Immaculata am 7. Dezember 1965 geweiht wurde. Anlässlich der Profanierung der Kirche am 1. Oktober 2010 erhielt die Figur im Rahmen einer festlichen Marienfeier am 2. Oktober 2010 ihren jetzigen Standort. Sie ist im Stil einer Lourdes-Madonna gestaltet, die immer mit den Farben Weiß und Blau verbunden ist – es sind die Farben, die das immer wieder von Gruppen und Betern besuchte „Marienhäuschen“ auch nach außen zeigt. (CB)

Quellen:
Marienhäuschen. Hirtenkapelle 1784, Baudenkmal seit 1985, Faltblatt des Bürger- und Verkehrsvereins Dellwig.
Freres, Paul: Kreuze am Wege. Geschichte der Wegekreuze, Heiligenhäuschen und Gedenksteine im Dekanat Borbeck. Mit zahlr. Abb., Verlag Pomp & Sobkowiak, Essen 1983
Prochaska, Berthold: Der Münstermann-Kotten in Gerschede, in: Borbecker Beiträge 34. Jg. 3/2018, 99-102

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