Feldschlößchen Borbeck

Im Jahr 1900 ließ der Borbecker Gastronom Kleine-Möllhoff auf einem großen Grundstück an der damals noch völlig unbebauten Flurstraße/Ecke Möllhoven in der damaligen Bürgermeisterei Borbeck ein Ausflugslokal errichten. Er taufte es auf den Namen „Gastwirtschaft zum Feldschlößchen“ – wohl nach der Lage des Gebäudes in den Feldern und Wiesen, zum anderen wegen der Nähe zum Schloss Borbeck. Neben der mit einer einfachen Theke versehenen Schankstube, dem Gesellschaftsraum und dem Biergarten bot das Haus ab Inbetriebnahme 1901 auch Hotelzimmer für Fachkräfte von in Borbeck tätigen Firmen.

Eigenwilliger Bau

An der mit jungen Platanen bepflanzten Straße entsteht damals eine schon zu ihrer Zeit sehr eigenwillige Fassade in der Sprache des Historismus: Die spitzen Zwillingshauben des mit Holzfachwerk verzierten Turms schließen zur Flurstraße mit einem gotisierenden Treppengiebel ab, zum Möllhoven wird die Fassade durch einen ebensolchen Giebel und einen spitzen Erker betont. An die Romanik erinnernde Rundbögen über den Fenstern des ersten Obergeschosses sind ursprünglich wie die Zackenbänder und Rautenflächen in Ziegelrot vom grauen Putz abgesetzt. Das innen fast vollständig in mit Ziegel gefülltem Fachwerk ausgeführte Haus wurde vollständig unterkellert, das Erdgeschoss ruht bis heute auf einer so genannten „Preußischen Kappendecke“. Während die hohe Decke der Gastronomie mit einer blutroten Ledertapete ausgestattet ist, sind die Zimmer- und Flurwände überall weitgehend mehrfarbig angestrichen. Mit weiteren Farben abgesetzte Zierleisten zeigen bunte Jugendstilmuster.

Beliebter Treffpunkt in Borbeck

Nach der Übernahme durch die Familie Schneider 1905 erweitern sich die Angebote des Hauses: Auf dem großen Grundstück gibt es einen Kleintier- und Streichelzoo und immer wieder diverse Attraktionen, die von Spaziergängern an den Wochenenden gerne angenommen werden. Das Lokal führen nun Josef Schneider und seine Frau Gertrud, geb. Bramert. Als der Wirt, zugleich Dirigent des Männergesangsvereins „Concordia“, nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt, übernimmt seine Witwe an der Flurstraße das Regiment. Das zum Garten gelegene Gesellschaftszimmer dient als Raum für Sitzungen vieler Vereine und für Familienfeiern, ein Klavier sorgt für die Begleitung von Chören, die hier zu ihren Proben zusammenfinden.

Mit der wachsenden Bebauung an der Flurstraße, insbesondere durch die Errichtung der Kruppsiedlung, nimmt die Zahl der Gäste weiter zu, mehrere Vereine bestimmen das Lokal zur „Konstanten“ und zum regelmäßigen Treffpunkt. Insbesondere die Borbecker Kolpingsfamilie versammelt sich hier bis Mitte der 1970er-Jahre zu ihren Festen und den meist an den „Gesellen-Montagen“ stattfindenden Treffen.

Fluchttunnel bis zur Schlucht

Im Zweiten Weltkrieg wird zum Schutz vor den Bombenangriffen aus dem Keller ein später wieder verfüllter Fluchttunnel bis zur an das ehemalige Grundstück angrenzende Schlucht gebaut. Groß gefeiert wird das 50-jährige Bestehen des Hauses, dem die BORBECKER NACHRICHTEN am 28. September 1956 einen Artikel mit einer alten Abbildung des Hauses widmen und darin an „viele schöne Feste und denkwürdige Feiern“ erinnern. Willy Freistedt, als musikalisches Allroundtalent Borbecker Original und Bewohner des Dachgeschosses im Haus, widmet dem „Feldschlößchen“ aus diesem Anlass ein im Artikel abgedrucktes Preisgedicht. Mit den Anfangszeilen „Das Schloß im Felde wurde ich genannt! Stolz blickte ich hinaus ins weite Land …“ lässt es die ländliche Idylle der Entstehungszeit, die Kriege, schwere Arbeit der Knappen unter Tage und die Entwicklung der örtlichen Industrie Revue passieren, um zugleich Wanderer zu „süßer Rast“ einzuladen.

Das große Grundstück wird unter den Mitgliedern der Familie Schneider aufgeteilt, in den 1990-er Jahren übernehmen mehrere auswärtige Pächter den Betrieb, bis im Dezember 2003 das Lokal seine Pforten schließt. Zum Juli 2004 erwirbt der ursprünglich 1911 an der Universität Münster ins Leben gerufene „Wissenschaftliche katholische Studentenverein UNITAS Ruhrania Bochum - Duisburg-Essen - Dortmund" das Haus mit dem 905 qm großen Grundstück von Eigentümer Peter Schneider.

UNITAS rekonstruiert historische Bausubstanz

Der 1991 eigens gegründete Hausbauverein des an den Ruhr-Universitäten tätigen Vereins hatte zuvor 13 Jahre lang nach einem geeigneten Studentenhaus in Bochum und Essen gesucht, bis man sicher war, in Borbeck endlich das richtige Haus gefunden zu haben. Ab Mai 2006 begannen umfassende Entkernungsarbeiten, um neun Studentenzimmer und dazugehörende Gemeinschaftseinrichtungen zu schaffen und um die öffentliche Gastronomie für Borbeck wieder zu reaktivieren.

Von einigen Studenten bereits bewohnt, entwickelte sich das Haus schnell zum neuen Treffpunkt aktiver und ehemaliger Studenten des katholischen UNITAS-Verbandes, der u.a. zum Weltjugendtag 2005 in Köln 12 polnische Gäste aus der Essener Partnerstadt Zabrze aufnahm und mit der ganzen Pfarrgemeinde St. Dionysius und Nachbarn ein großes Weltjugendtags-Fest im und am Haus feierte. Gesellige und wissenschaftliche Veranstaltungen konnten weitergeführt werden, bis die Bauarbeiten auch die letzten beiden studentischen Bewohner zum Ausziehen veranlasste. Nun zielte die Rekonstruktion des Hauses auf eine möglichst deutliche Wiederherstellung der historischen Bausubstanz: Vom Keller bis zum Dach wurde das gesamte Gebäude zuvor einer intensiven Prüfung unterzogen, bei der die Originalpläne aus dem Erbauungsjahr wichtige Hinweise auf die ursprüngliche Planung gaben.

Umfassende Entkernungsarbeiten

Die in Eigenarbeit der Studenten und Ehemaligen ausgeführten Entkernungsarbeiten förderten nicht nur einen bislang verborgenem Raum im Keller, sondern auch vieles mehr zu Tage: Alle abgehängten Decken und fast alle Wände wurden bis auf das Fachwerk wieder freigelegt, die alten Wandmalereien traten in teils erstaunlicher Frische wieder ans Licht. Zu den Funden gehörten zerknitterte Zeitungen aus der Bauzeit des Dachstuhls, riesige Wespennester, ein Kupfer-Groschen aus dem Jahr 1921 mit Reichsadler, Einbauten im Dachstuhl oder Kisten aus dem Lager Friedland.

Die komplette Erneuerung umfasste sämtliche Wasser-, Strom- und Gasleitungen, eine neue Heizung und neue Fenster rundherum. Alle Wände wurden neu verputzt, alle Fußböden wiederhergestellt. Viele nachträglich eingebaute Wände wurden entfernt, bis nach und nach der alte Hotelgrundriss wieder sichtbar wurde und neun Zimmer in einer Größe von 14-29 Quadratmetern entstanden. Unter dem Dach wurde eine komplette Wohnung in einen großen Veranstaltungssaal umgewandelt, zusätzlich eingezogene Stahlträger und Leimbinder verstärkten die Statik des Hauses. Zum Wintersemesterbeginn im Oktober 2007 waren erstmals sämtliche Zimmer an Studenten vermietet.

Neue Gastronomie

Auch in der vom Verein genutzten Gastronomie wurden sämtliche Einbauten herausgerissen, Decken und Fußböden ebenso, der Eingang wurde von der Ecke an den Seiteneingang Möllhoven verlegt, die Rundbogenfenster wurden vollständig wieder neu hergestellt sowie alles unter Berücksichtigung notweniger Schall- und Brandschutz-Maßnahmen vollständig renoviert. Weit über 30 Wirte meldeten ihr Interesse zur Übernahme an und im April 2008 eröffnete das neu geschaffene Lokal. Das von der Gastronomie getrennte Studentenheim wurde mit einem großen Festwochenende am 31. Mai / 1. Juni 2008 eingeweiht und offiziell seiner Bestimmung übergeben. Im November 2008 war der große Wintergarten fertig gestellt, im Mai 2009 wurde der neu gestaltete Biergarten in Betrieb genommen.

Seit März 2012 verwirklichen hier Ivonne & Klaus Jobs mit ihrem Feldschlößchen-Team, Herz und Leidenschaft ihren Traum von Gastronomie. Mehr: https://www.feldschloesschen-essen.de. (CB)

Quellen: C. Beckmann, Ein Haus mit Geschichte, Homepage des W.K.St.V. Unitas Ruhrania

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