Franz Josef Gründges: Ein Jubiläum ...

0 05.04.2019

„Günstige Umstände haben mir erlaubt, die Geschichte des Schönebecker Jugend-Blasorchesters aufzuschreiben. Denn hätte nicht der hl. Petrus den Straßenbelag am Morgen des 25. Februar 1999 so gestaltet, dass das SJB-Dienstfahrrad, das mich zur Schule tragen sollte, in einer Kurve wegrutschte, mein linker Oberschenkel sich dabei bereitwillig den Hals brach und nach längerer Ruhestellung verlangte, dann hätte es dieses Buch in der nun vorliegenden Form nicht gegeben.“

So heißt es im Vorwort der Chronik des Schönebecker Jugend-Blasorchesters von 1959 bis 1999. Zur Wahrheit gehört aber noch etwas anders. Da ich während der langen Genesungszeit trotz allen Bittens und Bettelns die Schule zu Arbeitszwecken nicht betreten durfte, suchte ich nach einer alternativen, mindestens ebenso fruchtbaren und ertragreichen Tätigkeit im Dunstkreis der Penne. Ich fand sie in den Räumen eines Gebäudes an der Ecke Zielstraße/Wielandstraße, in dem seinerzeit die Jahresbände der Borbecker Nachrichten gelagert waren - eine Fundgrube sondergleichen. Über Wochen und Monate bin ich nahezu täglich dorthin gefahren (nicht mit dem Fahrrad), habe die Wegstrecke vom Auto zum Arbeitsstuhl im Archiv auf Krücken zurückgelegt, die Gehhilfen an die Seite gestellt, zu einem Jahresband der „Borbecker“ gegriffen, den Kuli in die Hand genommen und gepinnt, was die Bände hergaben, bis die Mine glühte. Mit jedem Tag, die Nase in die dicken Wälzer gesteckt, die Finger wund geschrieben, den Kopf voller Informationen, wurde ich Seite um Seite mit der „Borbecker“ älter.

Inzwischen bin ich 75, sie wird 70 und die Schönebecker werden 60. Ein passender Anlass, in die Anfänge der Beziehung zwischen SJB und „Borbecker“ zurückzublättern. Das ist rasch getan. Schon auf Seite 3 der Chronik findet sich ein Beitrag in der „Borbecker“. Er bezieht sich auf den ersten öffentlichen Auftritt des SJB beim Frühjahrskonzert am 9. März 1960 im Saal der Gaststätte „Schönebecker Schweiz“. Mit dabei der „Patenonkel“ des SJB, das Musikkorps der Luftwaffe Münster unter der Leitung von Hauptmann Johannes Schade. Eintritt 2,- DM. Reinerlös 800,- DM. Hier ein Auszug aus dem Bericht in den „Borbecker Nachrichten“ Nr. 11 vom 11. März 1960:

„Bevor Hauptmann Johannes Schade den Taktstück zum „Königsmarsch“ von R. Strauß erhob, hatten die Jungen des Jugend-Orchesters ihren großen Auftritt. In schwarzen Hosen und weißen Blusen mit Mozart-Schleifen bauten sie sich vor ihren großen Kollegen auf. Josef Reuber gab das Zeichen und dann dröhnte Theo Hülskens Marsch „Im grünen Tal“ durch den Raum. Man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wirklich bewundernswert, was diese Jungen in wenigen Monaten gelernt haben! Sicher, die dicke Trommel spielte noch eine zu gewichtige Rolle, aber wen störte das schon? Das Jugend-Blasorchester – und das war wohl das Wichtigste – ist keine Utopie mehr, nein, es spielt! Und alles in allem nicht einmal schlecht! In den brausenden Beifall für Josef Reuber und seine Jungen stimmten begeistert auch die 45 Fliegermusiker ein.“

Was bleibt? Vom ersten bis zum letzten Tag ihres Bestehens war die „Borbecker“ den „Schönebeckern“ ein treuer, wohlwollender und zuverlässiger Weggefährte. Wo findet man heute noch eine so innige, lange währende Freundschaft? Darum kann mit einem wehmütigen und dankbaren Blick zurück in die Anfänge des SJB und auf das Ende der BN die Bilanz nur heißen: Wie gut, dass es beide gibt. Das SJB heutzutage in bester Verfassung und mit voller Kraft voraus, die „Borbecker“ in bester Erinnerung. Ein herzlicher Glückwunsch den beiden zu ihren Geburtstagen.

Gerne hätte ich als Dreivierteljahrhunderter einiges über das Jubiläum der „Schönebecker“ in der „Borbecker“ gelesen. Doch auch ich weiß – nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Dass es beide gegeben hat, war ein großes Geschenk. Was heißt „war“? Beide gibt es ja immer noch. Um die Schönebecker zu erleben, muss man nur ihre Konzerte besuchen, und für die „Borbecker“ muss man nur in den dicken Jahresbänden blättern, die im Ruhr Museum lagern und auch bei Andreas Koerner in der Alten Cuesterey einzusehen sind. Um das zu tun, muss man sich nicht unbedingt, so wie ich seinerzeit, den Oberschenkelhals brechen. Viel Freude beim Schmökern!

Franz Josef Gründges

 

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