Schneeglöckchen schaffen 30 Meter am Tag

Galantamin kann gegen das Große Vergessen wirken – aber Alzheimer heilen, kann es nicht

0 07.02.2025

Immer früher lässt sich das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) in unseren Parks und Gärten sehen. Gleichwohl verdient es seinen Namen zu Recht. Es vermag, Kälteeinbrüche zu überstehen und im Schnee zu blühen.

Forscher haben festgestellt, dass das Schneeglöckchen über eine eingebaute „Heizung“ verfügt. Die Pflanze kann rund um Stängel und Blätter eine so genannte „Biowärme“ produzieren, die die Luft drumherum auf 8 bis 10 Grad Celsius erwärmt.

Bis zu 30 Zentimeter hoch wächst das hübsche Blümchen, und es bringt pro Stängel eine weiße, nickende Blüte hervor. Seine Zwiebel ist etwa so groß wie eine Haselnuss.
Anfangs umgibt ein Hochblatt die Blüte und schützt sie vor strenger Witterung. Die Blüte besteht aus drei weißen freien Kelchblättern, drei verwachsenen grünlich weißen Kronblättern, sechs Staubgefäßen und einem Stempel. Die drei inneren Blütenhüllblätter sind viel kleiner als die drei äußeren und normalerweise grün gezeichnet.
Jedes Staubblatt trägt an der Spitze eine feine Borste. Erst wenn eine Biene diese Borste berührt, rieselt der trockene Blütenstaub aus dem Beutelchen. Nachts und bei kaltem, regnerischen Wetter schließt sich die Blüte, damit Kälte und Nasse dem empfindlichen Pollen nicht schaden. Das Schneeglöckchen „schläft“.

Die Frucht des Schneeglöckchens ist eine Kapsel. Die fleischigen Anhängsel der Samen werden oft von Ameisen verzehrt. Sie verschleppen die Samen, fressen das Anhängsel und lassen den Rest liegen. So dienen die kleinen Tiere der Verbreitung.

Das Schneeglöckchen vermehrt sich aber auch durch Brutzwiebeln und bildet mit der Zeit einen recht dichten Bestand. Der Botaniker nennt das „Horst“
Nicht ganz drei Monate braucht das Schneeglöckchen vom ersten Spross bis zur Samenreife. Eine derart kurze Wachstumsperiode hat kaum eine andere Blume.
Seit dem Mittelalter sind Schneeglöckchen in unseren Gärten als Kulturpflanze zu finden. Von hier aus haben sie sich in Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen ausgebreitet, vor allem in Laub- und Auwäldern.

Im Münsterland und Bergischen Land bilden sie auf Obstwiesen und hofnahem Grünland auffällig weiße Teppiche. Auch in Parks von Burgen, Klöstern oder Schlössern können im Februar große Bestände blühen, die den ersten Bienen und Hummeln reichlich Nektar bieten.

Fachleute diskutieren, welche „natürlichen“ Vorkommen von Schneeglöckchen in der Landschaft tatsächlich „natürlich“ sind, und welche alte Verwilderungen“. Das bedeutet aber auf jeden Fall: Finger weg, denn Schneeglöckchen in „freier Wildbahn“ stehen unter Naturschutz.
Die Schneeglöckchenblüte markiert den Beginn des Vorfrühlings. Ausgehend von der klimatisch begünstigten Kölner Bucht, schreitet die Blüte in der zweiten Februarhälfte bis etwa Ende März rheinabwärts nach Norden und dann nach Osten fort. In die sich langsam erwärmenden Höhenlagen wagt sie sich mit einem durchschnittlichen Tempo von 30 Metern pro Tag. Beendet wird die „Vorfrühlingsreise“ durch Nordrhein-Westfalen am höchsten Punkt, dem Kahlen Asten. Dort können Besucher bei normaler Witterung etwa Mitte März die ersten Schneeglöckchen sprießen sehen.
Ökologen gilt die Pflanze als Anzeiger für Klimaveränderungen. Auf Grund der Erwärmung der Erde blüht sie in Süddeutschland bereits eine Woche eher als vor zehn Jahren - ein Trend, der sich auch in Nordrhein-Westfalen abzeichnet.

Ganz so harmlos wie es aussieht, ist das schöne Schneeglöckchen nicht. Es enthält Alkaloide. Bei Verzehr von Zwiebel oder anderen Pflanzenteilen können sie beim Menschen vermehrter Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hervorrufen.

Bestandteile des Schneeglöckchens können aber auch helfen, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Alzheimer-Erkrankung. Die Medikamente enthalten den Wirkstoff Galantamin, ein Alkaloid aus dem kaukasischen Schneeglöckchen. Dieser Wirkstoff wurde vor über 20 Jahren in Deutschland zur symptomatischen Therapie der Alzheimer-Demenz zugelassen. Es hemmt den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin und stabilisiert so die Funktionalität der Nervenzellen. Es heilt nicht, es kann nur den Verlauf der Erkrankung verlangsamen. Gegen das Große Vergessen ist noch kein Kraut gewachsen.

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