Dreimal lange Nase!

Von der ausgleichenden Gerechtigkeit und warum man nicht nur fragen sollte, ob es noch lohnt...

0 09.11.2019

Die großen Jungs durften eine brennende Fackel halten und den Zug (verun)sichern. Das imponierte Klein-Monica mächtig und machte sie auch neidisch. In ihr keimte die bittere Erkenntnis, dass sie es vermutlich niemals zum Fackelträger, geschweige denn zum römischen Legionär bringen würde. Ein paar Legionäre folgten nämlich St. Martin auf dem Fuße. Dahinter folgte der Gänsewagen, auf dem das Federvieh in einer Art Stall zum Gotterbarmen schnatterte. Ob man darin eine auch Gänseliesel mitführte? Das weiß ich nicht mehr. Dahinter folgte die ersten Kapelle und dahinter diejenigen, die sich beim alljährlichen Laternen-Bastelwettbewerb eine Chance auf einen Gewinn ausrechneten.

Bei Klein-Monica zu Hause wurden auch Laternen gebastelt, jedes Jahr aufs Neue. Daraus resultiert noch heute eine gewisse Abneigung gegen Camembert, dessen runde Verpackung Boden und Deckel der Laterne abgaben. Gehalten wurde das Ganze durch stabiles Tonpapier, in dessen kunstvoll geschnittene Öffnungen buntes Transparentpapier geklebt wurde. „Vorher!“ Und „Von innen natürlich, du Doofe!“, ätzten die älteren Brüder. Der häusliche Friede war bei derartigen Bastelarbeiten brüchig. Sehr brüchig.

Doch manchmal es gab sie, die ausgleichende Gerechtigkeit. Bei der ersten ungestümen Bewegung der Brüder oder bei der ersten Windböe gingen ihre Laternen in Flammen auf (elektrische gab es damals nicht), die eiligst von mutigen Erwachsenen ausgetreten wurden. Ätsch. Dreimal lange Nase!

Was hätte ich gegeben für eine gekaufte Laterne, einen Mond oder eine Sonne, die man wie eine Ziehharmonika öffnen und schließen konnte… Das gab es bei uns nicht.

Auch heute noch wird gebastelt in Schulen und Kindergärten und viele Mädchen und Jungen freuen sich auf den großen Zug, der den Beginn einer geheimnisvollen, schönen Zeit markiert.

„Martinszug? Ja, lohnt sich das denn überhaupt noch in Altendorf?“ hört man den ein oder anderen fragen. Aber sicher. Rappelvoll war die katholische Kirche St. Mariä Himmelfahrt am Freitag zum Auftakt des Martinsumzugs. In deutscher, englischer, polnischer und türkischer Sprache waren die Handzettel verfasst, die die Geschichte des heiligen Martins erzählten. Und so sah man in der Kirche (die im übrigen auch geschlossen wird) hellhäutige und dunkelhäutige Kinder mit ihren Vatis und Muttis, mit oder ohne Mützen oder Kopftücher und viele andere mehr in den Kirchenbänken sitzen und sich als Gemeinschaft empfinden. Dann ging es gemeinsam durchs Quartier. „Laterne, Laterne“, wurde den Senioren im Altenheim gesungen, bevor es zum Niederfeldsee und wieder zurück ging, wo es auf dem Kirchplatz Würstchen, Kakao, Brezel und Martinslose gab. Warum ich das erzähle? Weil so vieles verloren geht, wenn man die Frage „Lohnt sich das denn noch?“ zur Maxime seines Handelns macht. Und weil Monica glückliche Gewinnerin eines Brathähnchens (!) ist.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihre und Eure Monica

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