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0 05.03.2022
Rührend. Wirklich rührend ist die Stadt um nächtliche Radler besorgt. Anders kann man es sich nicht erklären, dass in den Nachtstunden die Radtrasse derzeit derart mit Streusalz versorgt wird, dass die zahlreichen Kristalle in der Sonne glitzern, als sei der Weg mit Sternenstaub gepudert.
Was die sicher zahlreichen nächtlichen Radfahrer in Hochstimmung versetzen mag, ist für Hunde, die dort Gassi geführt werden rund um die Uhr nicht schön. Aber so ist es wohl im Leben: Des einen Freud, des andern Leid.
Eigentlich wollte ich Ihnen aber die Geschichte von Gretel erzählen. Die betagte Dame war in ihrer Nachbarschaft berühmt und berüchtigt. Berühmt, weil sie trotz ihres Alters - krumm über ihren Rollator gebeugt – nie aufgab. Sie durchs Treppenhaus quälte und sogar mit der Straßenbahn unterwegs war. Berüchtigt war sie, weil sie niemals etwas Nettes sagte, sondern immer nur giftige Geschichten erzählte. Die Nachbarinnen fuhren lieber eine Straßenbahn später, wenn Gefahr bestand, Gretel zu treffen.
Aber: Wenn man so fast 50 Jahre gemeinsam in einem Haus wohnt, dann hilft man sich doch. Und so taten das Gretels freundliche Nachbarinnen. Ein Beispiel: Wenn Gretel es nicht mehr bis in die dritte Etage schaffte, durfte sie bei der Nachbarin eine Etage tiefer verschnaufen und eine Tasse Kaffee trinken. Die Nachbarin stellte dann ihre Ohren auf Durchzug und ließ die Tiraden über sich ergehen. - Jetzt starb Gretel mit knapp 90 Jahren.
Ein paar Tage später schellte es an der Wohnungstür der Nachbarinnen. Davor stand Gretels Sohn. Er hatte Blumensträuße im Arm für die Frauen. Gretel hatte es so verfügt. Nach ihrem Tod solle er sich bei den Nachbarinnen für ihre Unterstützung bedanken. Sie sei eben kein einfacher Mensch gewesen.
Diese Geschichte wollte ich eigentlich erzählen. Aber ist es überhaupt passend in diesen wirren Zeiten, mehr oder weniger nette Banalitäten zu erzählen?
Ratlos: Ihre und Eure Monica
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