Wenn man Kinderaugen hat...

Wiehnachtsboom: Ein plattdeutsches Gedicht von Hermann Hagedorn - ins Hochdeutsche übertragen von Franz Josef Gründges

0 25.12.2021

Wiehnachtsboom

En son Wiehnachsböömken kieken, es met nicks doch de väglieken,

In so‘n Weihnachtsbäumchen gucken, ist mit nichts doch zu vergleichen,

wemme Kenneroogen hät!

wenn man Kinderaugen hat!

Kiek, dä Käezkes! Ei, du Donner! On dät Kend! Dät reinste Wonner.

Schau, die Kerzchen! Ei, du Donner! Und das Kind! Das reinste Wunder.

Wi't do en dät Krippken lett!

Wie‘s da in der Krippe liegt!

On dä bonte Kauh, dä dicke! Und der Ochse, Kerl, was guckt der!

Und die bunte Kuh, die dicke! On dän Ossen! Käel, wat kicke!

 

On dän I'Esel! Gottwollsjo!

On nu kommp ok noch dä Schööpe on dä Schööpers, ganze Hööpe!

Und nun kommen auch noch die Schafe und die Schäfer, ganze Haufen!

En dä Klompen Heu on Stroh.

In den Klotschen Heu und Stroh.

Jo, nu sall et mi es wönnern, kommp do nech - wä sall sö hennern? –

Ja, nun soll es mich doch wundern, kommen da nicht – wer soll sie hindern? –

Könnige uut Morgenland?

Könige aus Morgenland?

Käel on drei, wat mackt dä Döppe! Kronen hät sö oppe Köppe,

Kerl in der Kiste, was machen die Augen! Kronen haben sie auf den Köpfen,

on Geschenke en'e Hand!

und Geschenke in der Hand.

Josef kickt op dä Proschoone so van bowen wi dä Moone

Josef guckt auf die Prozession so von oben wie der Mond

Op'e Äre, lisam, lend,

auf die Erde, sachte, sanft,

On Maria, fäene, fäene, Oogen wi twee Morgenstäene,

Und Maria, ferne, ferne, Augen wie zwei Morgensterne,

nömmes süht sö as öe Kend.

niemand sieht sie als ihr Kind.

Könn ick ok dät Kendken seihen, O, wi woll ick mi dann freuen,

Könnt ich auch das Kindlein sehen, oh, wie wollt ich mich dann freuen,

wi dä Die’ekes, wi mi düch!

wie die Tiere, wie mich dünkt!

O, son I’esel woll ick si’en, ok as Ossen wö’k defri’en,

Oh, so‘n Esel wollt‘ ich sein, auch als Ochs wär ich zufrieden,

wenn’k ok Disseln fretten mügg.

wenn ich auch Disteln fressen müsste.

Wenn man die Welt mit Kinderaugen besieht, ist ein Weihnachtsbaum unvergleichlich. Josef Becker machte dieses Foto vom Weihnachtsbaum (mit Tochter) in den Zwanziger- oder Dreißigerjahren. Becker war leidenschaftlicher Fotograf und von 1911 bis 1940 Kunsterzieher am Gymnasium Borbeck. Viele seiner Fotografien sind heute im Foto-Archiv des Ruhr Museums gut aufgehoben. Abzüge vom Weihnachtsbaum mit Kind zählen aber zu den am häufigsten kopierten und am weitesten verbreiteten Becker-Bilder.

Die plattdeutschen Gedichte des Dellwiger Heimatdichters hat übrigens Franz Josef Gründges ausgewählt und stimmungsvoll ins Hochdeutsche übertragen.

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