Vor 100 Jahren: Rot-Weiß Essen gegen Rasensport Mülheim

0 18.10.2023

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Eisenbahner zurück an die Arbeit!

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Dienstag, 16. Oktober 1923. Die Bedrängnis des besetzten Gebietes hat den Reichsverkehrsminister veranlasst, an das Personal die folgende Aufforderung zu richten:

Das im besetzten Gebiet anwesende Personal der zur Zeit nicht im Betriebe der deutschen Verwaltung befindlichen Bahnstrecken wird angewiesen, sich von Mittwoch, 17 Uhr ab, zur Aufnahme des Dienstes bei den Dienststellen der Regie (= von den Besatzern organisierter Eisenbahnbetrieb im besetzten Gebiet – die borbeck.de-Redaktion) zu melden. Gegen die Ableistung des geforderten Diensteides ist nichts mehr einzuwenden, nachdem der Leiter der Regie öffentlich erklärt hat:

Bekanntmachung: "Um jedes Missverständnis zu beseitigen, gibt die Regie folgendes bekannt: Die eidlichen Verpflichtungen, die die Regie von den deutschen Eisenbahnern bei der Wiederaufnahme der Arbeit verlangt, haben einen rein beruflichen Charakter. Der geforderte Eid hat somit keinerlei politische Bedeutung.

Der Direktor der Regie, gezeichnet Breaud"

Rentenbank soll Währungs-Chaos beenden

EAZ, Mittwoch, 17. Oktober 1923. Als Zwischenlösung in der Währungsfrage aufgrund des Ermächtigungsgesetzes hat die Reichsregierung die Errichtung einer deutschen Rentenbank beschlossen. Die Papiermark bleibt das gesetzliche Zahlungsmittel. Neben der Papiermark ist in der von der deutschen Rentenbank ausgegebenen Rentenmark ein wertbeständiges Umlaufmittel geschaffen, das von allen öffentlichen Kassen in Zahlung genommen werden wird. Die Rentenmark ist gesichert durch auf Goldmark lautende erststellige Grundhypotheken auf den gesamten deutschen Grundbesitz und erstrangige Goldobligationen der Industrie, des Handels und der Banken.

14 Millionen Mark Eintrittsgeld beim Wohnungsamt?

Donnerstag, 18. Oktober 1923. In einer Essener Tageszeitung wird mitgeteilt, dass eine Anfrage beim Essener Einwohnermeldeamt mit 14 Millionen Mark bezahlt werden muss. Eine Begründung wird nicht angeführt. Warum, so fragen wir, muss denn das Wohnungsamt dieses Geld den armen Wohnungssuchenden abnehmen? Wofür zahlen denn die Bürger ihre Steuern? Es scheint so, als wenn sich bei der Stadtverwaltung Essen eine neue Mode einbürgern wollte.

Lokomotiven von der Werkbank weg beschlagnahmt

EAZ, Freitag, 19. Oktober 1923. Besatzungsnachrichten. Bei der Firma Krupp wurden von den Franzosen 24 neue Güterzugslokomotiven und 192 Wagen, die für die Reichseisenbahnverwaltung fertiggestellt waren, für die Zwecke der Regie beschlagnahmt und weggeführt.

Verdoppelung der Markenbrotpreise

Durch eine weitere erhebliche Steigerung der Produktionskosten tritt ab Samstag nahezu eine Verdoppelung der Preise für Markenbrot ein. Auf die Bekanntmachung des Oberbürgermeisters im Anzeigenteil wird hingewiesen.

Vor raffinierter Schwindlerin wird gewarnt

EAZ, Samstag, 20. Oktober 1923. In der letzten Zeit ist in der Stadt Essen eine Schwindlerin aufgetreten, die sich hohe Geldbeträge dadurch zu verschaffen wusste, dass sie sich in Geschäftslokale begab und den Geschäftsinhabern nach Übergabe eines Paketes erklärte, sie sei beauftragt, die von der Frau des Geschäftsinhabers angeblich bestellte Ware abzuliefern. Es ist bereits ein Kaufmann ermittelt worden, der das wertlose Paket ahnungslos annahm und den geforderten Betrag von 20 Milliarden Mark an die Schwindlerin bezahlte. Der Betrug ist noch in einer Reihe weiterer Fälle geglückt.

Die Gaunerin, vor deren Gastrollen eindringlich gewarnt werden muss, nannte sich Gertrud Wolff. Sie steht im jugendlichen Alter von etwa 16 - 17 Jahren. Falls sie irgendwo wieder auftauchen sollte, ist ihre sofortige Festnahme durch den nächsten Polizeibeamten zu veranlassen.

Ins Unermessliche verteuerte Lebensmittel

EAZ, Sonntag, 20. Oktober 1923. Die Geldverschlechterung, der das Einkommen auch nicht bei weitem folgen konnte, hatte den Wochenmärkten ihren unangenehmen Stempel aufgedrückt. Die Leute standen ratlos vor den Preistafeln. Sehr viele mussten sich mit dem Einkauf ungenügender Mengen der ins Unermessliche verteuerten Lebensmittel begnügen.

Auf dem Gerlingsplatz und Kopstadtplatz kam es zu Unruhen, die vor allem die Fleisch- und Käsehändler veranlassten, ihre Waren schleunigst wieder heimzufahren. Käufern, die erst in der 10. Stunde erschienen, standen deshalb nur noch die leeren Buden vor.

Aus unserer Liste geht hervor, dass einzelne Waren den Wettlauf mit dem Dollar aufgenommen und auch siegreich bestanden haben. Besonders zeichnet sich dabei die Butter aus, die auf den Märkten mit 3 und dreieinhalb, in einzelnen Läden mit 4 Milliarden Mark gehandelt wurde. Auch Maschinengarn, Strickwolle und vor allem die Stoffe und Bekleidungsgegenstände glänzen wieder mit hohen Überteuerungsprozenten. Pflaumen sind, obgleich sie durchweg zweifelhafter Art waren, auf 350 und 400 Millionen gestiegen, Blumenkohl war nicht zu sehen, Kartoffeln nur in geringen Mengen.

Schwere Unruhen in der Innenstadt

EAZ, Sonntag, 20. Oktober 1923. Der Samstag brachte wieder schwere Unruhen in Essen. Die Erwerbslosen erwarteten Kartoffellieferungen, die sie jedoch nicht erhalten konnten, weil der Waggon nicht auf dem Nordbahnhof angekommen war. Im Arbeitsamt in der Beuststraße kam es deshalb zu bösen Auftritten, bis die Polizei einschritt und die Demonstranten absperrte.

Andere Erwerbslose, fast durchweg Halbwüchsige, die außerhalb des Arbeitsamtes waren, zogen darauf zum Gerlingsplatz, wo sie jedoch nicht viel ausrichten konnten, weil die Ständeinhaber ihre kostbare Wahl rechtzeitig in Sicherheit brachten. Die Polizei musste aber doch von der Waffe Gebrauch machen.

Vom Gerlingsplatz ging es unter dem Gesang der Internationale durch die Grabenstraße zum Kopstadtplatz, der gleichfalls größtenteils schon vorher geräumt war, und an dem von Polizei abgesperrten Rathaus vorbei zum Burgplatz. In der Akazienallee hatte die Polizei Absperrungsmaßnahmen getroffen. Sie wurde jedoch von den Demonstranten hart bedrängt, so dass sie gezwungen war, einige Schreckschüsse abzugeben. Die Jünglinge zogen es dann vor, das Hasenpanier zu ergreifen. Über Verletzungen ist uns nichts gemeldet worden.

Die Demonstrationen sind nicht dazu angetan, die Lebensmittelversorgung zu fördern. Sie können die herrschende Not nur verschlimmern, da die Kaufmannschaft infolge der Plünderungsgefahr den Mut zur Auffüllung der Bestände verliert. Alle besonnenen Elemente sollten deshalb beruhigend auf die aufgeregte Bevölkerung einwirken.

Rot-Weiß Essen gegen Rasensport Mülheim

EAZ, Sonntag, 20. Oktober 1923. Zu einem spannenden Treffen wird es heute auf dem Platze an der Vogelheimer Straße in Bergeborbeck kommen. Um 3 Uhr stehen sich hier die Gauligaelf des Rasensportvereins Mülheim und die Ligaelf von Rot-Weiß Essen (früher Spiel und Sport 1912) im Freundschaftsspiel gegenüber. Mülheim mit dem Halbrechten Fiederer, dem Süddeutschen Müller in der Verteidigung und dem hervorragenden Torhüter Stachelhaus konnte noch vor wenig Sonntagen gegen den Duisburger Spielverein in Duisburg 1:1 spielen, den VFB Ruhrort ebenfalls in Meisterschaftsspielen mit 2:1 schlagen. Rot-Weiß wird in vollständiger Aufstellung wie gegen BV Altenessen antreten.

Riesen-Kohlrabi ist fast zehn Pfund schwer

Dienstag, 21. Oktober 1923. Einen Riesenkohlrabi im Gewicht von neuneinhalb Pfund legte uns unser Abonnent Herr Karl Schlüter, Essen, Herbertstraße 50 auf den Redaktionstisch. Dieser außerordentlich entwickelte Vertreter der Kohlrabisorte "Blauer Goliath" hat einen Breitendurchmesser von 22 cm und einen Längendurchmesser von 24 Zentimetern. Der mittlere Umfang misst 63 Zentimeter. Wenn auch dieses Jahr als ein gutes Kohljahr angesprochen werden kann, so stellte dieser Kohlrabi doch etwas Außergewöhnliches dar. Herr Schlüter hat den Riesenkohlrabi in seinem Kleingarten innerhalb des Stadt Essen gelegen geerntet Wenn auch dieses Jahr als ein gutes Kohljahr angesprochen werden kann so stellt dieser Kohlrabi doch etwas Außergewöhnliches dar. Herr Schlüter hat den Riesenkohlrabi in seinem Kleingarten, innerhalb der Stadt Essen gelegen, geerntet.

Zu den Bildern:

Bild oben: Die "Einnahme von Essen": Auffahrt französischer Artillerie und Panzerwagen beim Hauptbahnhof im Januar 1923. (Abbildung aus H. Spethmann, "Der Ruhrkampf 1923 – 1925", Verlag Hobbing, Berlin 1933)

Bild im Text: 20 Milliarden Mark: Dafür gab es am 20. Oktober 1923 drei Pfund Butter – sofern auf dem Markt welche vorhanden war.

Bild unten; Briefporto Mitte Oktober 1923: 15 Millionen Mark.

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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