Vor 100 Jahren: Hundeschlächter stahl Dackel vom Apotheker

Salesianer weihen im Borbecker Jugendheim neue Kapelle ein

0 19.07.2023

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Kein Pass dabei: 20 Tage Gefängnis

Essener Volkszeitung, Samstag, 21. Juli 1923.

Französische Polizeigerichtssitzung vom 19. Juli. Maria Morsch aus Essen wurde ohne Pass angetroffen, als sie ihren wegen Sabotage verhafteten Bräutigam in den Essener städtischen Krankenanstalten besuchen wollte. Urteil: 20 Tage Gefängnis.

Gustav Horn, Essen, hatte noch mehrere Kriegswaffen in seinem Keller liegen. Er gibt zu, die Verordnung betreffs Waffenabgabe gelesen zu haben, die Waffen habe er nur als Kriegsandenken behalten. Urteil: 4 Monate Gefängnis und 5 Millionen Mark Geldstrafe.

Gustav Dopaka und Wilhelm Schulte, beide aus Essen, wurden in Bredeney eines Nachts beim Ankleben von Flugblättern überrascht. Schulte gibt an, dass er von einem gewissen Maier aus Elberfeld am Rüttenscheider Bahnhof Flugblätter und eine Geldentschädigung von 30 Mark für das Ankleben erhalten habe. Dopaka erklärt, dass er von Schulte gebeten worden sei, mit anzukleben. Urteil: jeder 2 Jahre Gefängnis.

Der Hundeschlächter von Altenessen

EVZ, 21. Juli 1923. Die Zunft der Hundefänger ist in der letzten Zeit besonders rührig geworden, denn dass das Geschäft sich lohnt, bestätigte gestern in einer Verhandlung vor dem Essener Schöffengericht der Arbeiter Johann Heidelbach aus Altenessen, der es wissen muss, weil er die Hundefängerei nebenher in seiner freien Zeit betreibt. Die Hundebesitzer in Altenessen sind vor ihm arg auf der Hut, denn er ist allgemein als Hundeschlächter bekannt und gefürchtet. Er kann gar nicht so viel Hunde einfangen und schlachten, um der Fleischnachfrage gerecht zu werden.

Und so schlenderte er eines Tages wieder einmal durch die Straßen von Altenessen. In der Nähe eines Geschäftsladens sieht er Kinder mit einem Dackelhund spielen, der dem Apothekenbesitzer Walter gehört. Augenblicke später ist er mit dem Hunde verschwunden. Die Fängerei war aber aus dem Nachbarhause beobachtet worden. Die Polizei ermittelte den Dieb bald darauf.

Das Schöffengericht bestrafte den Hundeschlächter, dessen buntes Strafregister erkennen lässt, dass er schon viel auf dem Kerbholz hat, mit einem Jahr Gefängnis.

Neue Kapelle bei Don Bosco eingeweiht

EVZ, Sonntag, 22. Juli 1923. Die Einweihung der neuen Kapelle im Jugendheim der Salesianer Essen-Borbeck fand am verflossenen Donnerstagabend durch Herrn Pfarrer Brock von St. Dionysius statt, wobei ihm Herr Religionslehrer Professor Mausbach und Pater Prillwitz assistierten.

Nach Einsegnung des im Erdgeschoss neu geschaffenen Kapellenraumes hielt der Herr Pfarrer den zahlreichen Gläubigen, Jung und Alt, eine schöne Predigt über die Heilige Eucharistie, hiernach erfolgte die feierliche Übertragung des Allerheiligsten aus dem bisherigen oberen Raum des Jugendheimes in die neu geweihte Kapelle. Am heutigen Sonntag um 8.30 Uhr findet hier das erste feierliche Levitenhochamt statt.

Dem Herrn Pater Superior der Borbecker Niederlassung der Salesianer war es leider nicht vergönnt, an dieser Feier teilzunehmen, da er von auswärts wegen der Verkehrssperre nicht zurückgelangen konnte.

Dienstag, 24. Juli 1923. Dollarkurs 349 125,- Mark.

Mittwoch, 25. Juli 1923. Dollarkurs 412 965,- Mark.

Essen, 24. Juli 1923. Heute Morgen wurde das Zollamt von den Franzosen besetzt.

Geiselhaft wegen angeblicher Attentate

Kray, 21. Juli 1923. In der Sitzung des Gemeinderats wurde von einem Schreiben des kommandierenden Generals der französischen Besatzungstruppen, wonach der Gemeinde Kray eine Geldstrafe von 40 Millionen Mark auferlegt wird, die innerhalb 8 Tagen bezahlt sein soll, widrigenfalls der Beigeordnete Beckmann und der Gemeinderentmeister Baus in Haft genommen werden sollen, Kenntnis gegeben (der besoldete Beigeordnete Schnitzler befindet sich wegen der betreffenden Angelegenheit bereits seit einiger Zeit in Geiselhaft.)

Die Auferlegung der Geldstrafe wird damit begründet, dass am 26. und 30. Mai des Jahres auf dem Gebiete der Gemeinde Kray angeblich Attentate verübt sein sollen, obschon bezüglich des angeblichen Attentats vom 26. Mai ein Verschulden auf deutscher Seite bis dahin nicht erwiesen ist und bezüglich eines Attentats am 30. Mai bisher nicht einmal eine Angabe der französischen Besatzung über die Art und Umstände des angeblichen Attentats bei der Gemeindeverwaltung eingegangen ist.

Es wurde beschlossen, gegen die Auferlegung der Geldstrafe nachdrücklichst Einspruch zu erheben und die geforderte Zahlung abzulehnen.

Markthändler müssen das Zehnfache berappen

EVZ, 25. Juli 1923. Die Ausgaben für die Wochenmärkte werden sich nach dem neuesten Stand auf eine Milliarde 610 Millionen Mark belaufen, die Einnahmen aufgrund des Tarifs vom 16. März 1923 aber nur 210 Millionen Mark betragen, so dass ein Fehlbetrag von einer Milliarde 400 Millionen Mark entsteht. Um diesen Fehlbetrag zu decken, ist eine Erhöhung der Marktstandsgebühren auf das Zehnfache erforderlich.

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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