Vor 100 Jahren: Massenentlassungen bei Krupp drohen

0 09.11.2023

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Schnellbahn Köln – Dortmund kommt!

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Donnerstag, 8. November 1923. Das Reichsverkehrsministerium und das preußische Handelsministerium haben nunmehr die Konzession für die Vorarbeiten zum Bau der Rheinisch-Westfälischen Schnellbahn Köln - Dortmund erteilt. Ein entsprechendes Schreiben ist bereits den maßgebenden rheinisch-westfälischen Stellen zugegangen. Damit ist gleichzeitig ausgesprochen, dass nach Abschluss der Vorarbeiten die Genehmigung zum Bau der Bahn erteilt wird.

Unruhen auf Zeche Bonifacius: Ein Toter

Am 6. November nachmittags gegen 5 Uhr versammelte sich die Belegschaft der Zeche Bonifacius in Kray auf dem Zechenplatz und forderte in der Hauptsache erhöhte Lohnzahlungen. Sie setzten den Betriebsführer und den Berginspektor fest, deren Freilassung erst erfolgen sollte, wenn die Forderungen erfüllt seien. Den beiden Herren wurde ein Strick vorgezeigt und man drohte sie aufzuhängen.

Von der herbeigerufenen Polizei begaben sich zunächst nur 2 Beamte auf dem Zechenplatz und forderten die Freilassung der beiden Zechenbeamten. Ihre Aufforderung aber wurde seitens der versammelten Arbeiter mit Würfen von Steinen und Eisenstücken beantwortet, ferner wurden die Polizeibeamten mit Eisenstücken geschlagen. Als angesichts dieser gefährlichen Lage auch die übrigen Polizeibeamten eingriffen, wurden auch sie beworfen. Auch fielen einige Schüsse aus der Menge. Daraufhin sahen sich die Polizeibeamten genötigt, von der Waffe Gebrauch zu machen, wobei eine Person tödlich und weitere 4 Personen durch Schüsse verletzt wurden.

Im Laufe des Nachmittags setzten in Kray Unruhen in solchem Umfange ein, dass die Besatzungsbehörde einschreiten musste. Als sich die Soldaten zeigten, zerstreute sich die Menge.

Massenentlassungen bei Krupp

EAZ, Freitag, 9. November 1923. Starke Betriebseinschränkungen bei Krupp. Obwohl beim Abschluss des Abkommens zwischen der Firma Krupp und der französischen Kontrollkommission der Erwartung Ausdruck gegeben wurde, dass nunmehr in größerem Umfange zu produktiver Arbeit auf den Kruppschen Werken übergegangen werden könne, nimmt die Verwaltung der Firma Krupp jetzt ebenso wie die anderen großen Konzerne Entlassungen unter ihrer Belegschaft im großen Maße vor.

Die Firma gibt bekannt:

Alle über 65 Jahre alten Arbeiter werden bis zum 31. Dezember 1923 pensioniert, ebenso alle 55-jährigen Arbeiter, wenn sie keine nennenswerte Arbeit verrichten. Alle Arbeiter, die ihre Familie im unbesetzten Gebiet haben, erhalten in dieser Woche ihre Kündigung, wenn sie sich aber mit sofortiger Entlassung einverstanden erklären, werden ihnen der Lohn für 14 Tage und auch die Reisekosten vergütet. Weiter werden alle Ledigen bis zu 35 Jahren entlassen, mit Ausnahme der Soziallohnempfänger und ebenso die über 35 Jahre alten Ledigen, die sich zur Arbeit nicht eignen. Schließlich können alle Verheirateten, die sich zur Arbeit nicht eignen, zur Entlassung kommen.

Nationalsozialistischer Putsch in München niedergeschlagen

EAZ, Samstag, 10. November 1923. Berlin, 9. November. Nach Mitteilungen aus Würzburg kann der Putsch in München bereits als erledigt betrachtet werden. Der ehemalige Polizeipräsident und Rädelsführer Poehner ist in Schutzhaft genommen. Alle öffentlichen Gebäude in München befinden sich in der Hand der rechtmäßigen Regierung. Ludendorff und Hitler sollen allein verschanzt im Wehrkreiskommando sein. Ganz Bayern und auch München ist ruhig und steht auf Seiten der rechtmäßigen Regierung. Die Reichswehr steht treu zur Regierung von Knilling.

Berlin, 9. November. Amtlich. Das Gebäude des Wehrkreiskommandos in München ist heute Nachmittag von der Reichswehr nach Kampf genommen worden. Auf beiden Seiten sind geringe Verluste zu verzeichnen. General Ludendorff und Hitler sind festgenommen worden.

Mit der Festsetzung des Generals Ludendorff und Hitlers hat der Münchner Putsch, der am Donnerstag Abend im Anschluss an eine antisozialistische Kundgebung des bayerischen Generalstaatskommissars von Kahr zur Bildung einer nationalen Regierung in Bayern und im Reich inszeniert wurde, glücklicherweise ein rasches Ende gefunden, ehe er verhängnisvolle innen- und außenpolitische Wirkungen ausüben konnte. Man kann den Führern der hochverräterischen Bewegung ohne weiteres als mildernde Umstände zugestehen, dass sie sich von patriotischen Motiven haben leiten lassen. (...)

675 Milliarden Lohn pro Schicht

EAZ, 11. November 1923. Die neuen Löhne im Bergbau. Die Löhne im Kohlenbergbau für die Woche vom 5. bis 12 November 1923 wurden durch Schiedsspruch im Reichsarbeitsministerium festgesetzt. Der Durchschnittstariflohn einschließlich des Hausstands- und Kindergeldes beträgt im Ruhrbezirk 675 Milliarden Mark pro Schicht.

Die Mark stürzt schneller und schneller

EAZ, 12. November 1923. Von der Krankengeschichte der Mark. Der Sturz der Mark vollzog sich nach den mechanischen Gesetzen des Falles erst langsam und immer schneller. Bis der Papiermark als Gegenwert der Friedensmark eine 0 hinzugefügt wurde, so dass 10 Papiermark = eine Goldmark waren, dauerte es nicht weniger als 66 Monate oder fünfeinhalb Jahre vom Juli 1914 bis zum Januar 1920.

Weniger als die Hälfte dieser Zeit, zweieinhalb Jahre waren notwendig gewesen, um am 5. Juli 1922 die zweite 0 beizufügen. Weitere 108 Tage brachte die Tausend am 21. Oktober 1922. Nun ging es immer schneller und schneller. 10.000 kamen nach 101 Tagen, 100.000 nach 176 Tagen. Vom Tausend zur Million dauerte es nur 290 Tage, sie wurde am 8. August 1923 erreicht. Weitere 64 Tage genügten, um am 11. Oktober die Milliardengrenze zu überschreiten.

Noch nicht ein Monat ist verflossen, und die Billion ist zwar nicht im amtlichen Kurs, aber im Ausland überschritten. Noch weiß man nicht, wann die Papiermark die letzte Leidensstation erreicht haben wird. Zum Bild: Das Porto für einen Auslandsbrief beträgt am 8. November 4 Milliarden Mark.(Sammlung A. Eickholt)

Zum Bild oben: "Le Foyer du Soldat". Postkarte für die französischsprachigen Besatzungssoldaten, deren Treffpunkt sich im Hotel Königshof (links) befand.(Sammlung A. Eickholt)

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

 

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 3 und 2.