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0 14.06.2023
Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.
Essener Volkszeitung, Samstag, 2. Juni 1923. Heute sind die Belegschaften sämtlicher Schachtanlagen in Altenessen sowie der Zeche Dahlbusch wieder eingefahren. Auch die Belegschaften der Zechen in Stoppenberg haben die Arbeit wieder aufgenommen. Ebenfalls haben die Belegschaften der Zechen und Werke in Katernberg sowie im Norden der Stadt Essen den Streik beendet.
EVZ, 2. Juni 1923. Infolge der neuen Entwertung der Mark hat sich das Niveau der Großhandelspreise nach den Berechnungen des Statistischen Reichsamtes vom dem 7105fachen des Friedensstandes am 15. Mai auf das 9034fache oder um 27,1 v. H. am 25. Mai gehoben.
EVZ, Sonntag, 3. Juni 1923. Dollarkurs 78054.- Mark
Die Essener Gesundheitsverhältnisse. Mittlere Jahresbevölkerung. Die mittlere Jahresbevölkerung betrug im vergangenen Jahre 475 937 gegen 466 241 im Jahre 1921; das bedeutet eine mittlere Bevölkerungszunahme von 9696. Hierbei ist insbesondere zu erwähnen, dass die Bevölkerungszunahme im Jahre 1922 fast lediglich dem Geburtenüberschuss zu verdanken ist, denn der Wanderungsgewinn des ganzen Jahres beträgt nur 626 Personen.
EVZ, Dienstag, 5. Juni 1923. Essener Wohnungswesen. Die Zahl der Wohnungsuchenden ist durch Zuwanderungen und Eheschließungen weiter gestiegen und betrug Ende des Jahres (1922) rund 21 900 gegenüber 19 500 im Vorjahre. Hierunter befinden sich 14 672 vordringlich Vorgemerkte. In den im Jahre 1922 mit städtischem Zuschuss in Angriff genommenen Neubauten wurden 551 Wohnungen fertiggestellt. Leider ließ sich das ursprüngliche Bauprogramm, das die Errichtung von 1000 Wohnungen vorsah, wegen der ungeheuren Erhöhung der Baukosten nicht durchführen.
260 000 Mark für ein Zwanzigmarkstück
Der Ankauf von Gold für das Reich erfolgt bis auf weiteres zum Dreizehntausendfachen des Friedenspreises (260 000 Mark für ein Zwanzig- und 130 000 Mark für ein Zehnmarkstück).
EVZ, Mittwoch, 6. Juni 1923. Von der einzigen noch bestehenden Bahnlinie Altenessen-Dortmund sind die Stationen Altenessen, Katernberg-Süd und Gelsenkirchen heute früh von den Franzosen besetzt worden und mit Tanks und schweren Maschinengewehren gesichert. Damit ist das ganze Industriegebiet von Gelsenkirchen bis Duisburg auf den Verkehr mit der Straßenbahn angewiesen.
EVZ, Donnerstag, 7. Juni 1923. Aus militärischen Gründen wird der Verkehr am Huyssenplatz vor dem alten Friedhof für das Publikum (Fußgänger und Wagen) heute für die Zeit von 10.30 bis 12.30 Uhr untersagt. Die Straßenbahnen sollen während dieser Zeit wenigstens 100 Meter vor dem genannten Platz stehen bleiben.
EVZ, Freitag, 8. Juni 1923. Die ausgewiesenen Eisenbahner des Bahnhofs Essen-West begaben sich in Begleitung eines Gewerkschaftsvertreters von Hamm nach Bielefeld, sie fanden überall liebevolle und fürsorgliche Aufnahme. Sie sind dann in Dame in Oldenburg untergebracht worden. Allen geht es gut.
Die Vertreibung der Schutzpolizei und die völlige Unzulänglichkeit des noch vorhandenen Polizeischutzes haben Zustände heraufbeschworen, die mit wachsender Besorgnis verfolgt werden müssen. Erst in diesen Tagen wurden im Essener Stadtwald unerhörte Zustände aufgedeckt. Diebesgesindel haust nächtlicherweise rudelweise in den ausgedehnten Waldungen. Ungeheuren Schaden hat das Gesindel an den Bäumen und Sträuchern des prächtigen Stadtwaldes angerichtet. Aber nicht nur das, selbst eine steinerne Brücke ist zerstört worden. Die Bänke und Holzstege sind mit Beilen förmlich zerhackt und ein Schaden von mehreren Millionen Mark angerichtet worden. Auf den abseits vom Fabrikbetriebe gelegenen Lagerstätten der Firma Krupp hat sich offener Raub und rohe Gewalt breit gemacht. Die Vorgänge gewähren einen erschreckenden Einblick in das wüste Chaos der heutigen Zeit, in der alle Bande der Ordnungen und Moral gerissen sind.
EVZ, Samstag, 9. Juni 1923. Vor dem französischen Polizeigericht in Werden wurden verurteilt:
Der Buchhändler Schrödter zu drei Monaten Gefängnis und 1 000 000 Mark Geldbuße wegen des Verkaufes zweier verbotener Zeitungen, deren Verbot er nach seiner Angabe nicht gekannt hat.
Der Bergmann Ahleweier aus Kray wegen des Besitzes von Brieftauben zu 1 Monat Gefängnis (...)
Infolge der neuen Entwertung der Mark erweisen sich die zurzeit im Umlauf befindlichen Noten von 50 000 und 100 000 Mark für hohe Barzahlungen als durchaus unzureichend. Deshalb hat die Reichsbank neue Noten im Nennbetrage von 500 000 Mark in Auftrag gegeben.
Zu der bereits gemeldeten Erhöhung der Postgebühren ab 1. Juli auf über das Fünffache geben wir im folgenden die Einzelheiten der Sätze:
Postkarten a) im Ortsverkehr 100 Mark, b) im Fernverkehr 200 Mark.
Briefe: a) im Ortsverkehr bis 20 Gramm 200 Mark, über 20 bis 100 Gramm 300 Mark (...)
Sonntag, 10. Juni 1923. Dollarkurs 83790,- Mark
Essen-Bergeborbeck. Zum Besten deutscher Kriegerwaisen wurde in der vorigen Woche im Saale der Frau Witwe Kroos ein Wohltätigkeitskonzert abgehalten, das trotz des strömenden Regens sehr gut besucht war. Das "Lyrische Soloquartett Bergeborbeck" erfreute die Zuhörer durch fein durchdachte Liederspenden, die wohlgelungen zum Vortrag kamen. Der "Theaterverein Germania" hatte sich gleichfalls in den Dienst der guten Sache gestellt. (...)
EVZ, Dienstag, 12. Juni 1923. In der Morgenfrühe des gestrigen Tages ist in Altenessen eine grausige Mordtat entdeckt worden. Fußgänger haben an der sogenannten Rahmdörne im Grase zerstückelte Leichenteile eines erwachsenen Mannes in zwei verschnürten Paketen vorgefunden. Die eiligst in Kenntnis gesetzte Kriminalpolizei öffnete die Pakete und machte die grauenhafte Entdeckung, dass die Pakete einen Rumpf ohne die inneren Organe und einen vom Rumpf abgeschnittenen Oberarm enthielten. Der Kopf war vom Rumpfe abgetrennt und fehlte in den Paketen. Der grässliche Fund wurde beschlagnahmt und die Kriminalpolizei hat unverzüglich eifrige Nachforschungen eingeleitet, um das furchtbare Verbrechen aufzuklären. Ohne Zweifel handelt es sich hier um ein Mordverbrechen. Über die Persönlichkeit des Ermordeten ist zur Stunde nichts bekannt.
Nachdem die Reichsbank schon in den nächsten Tagen Banknoten über 500 000 Mark herausgibt, wird bereits die Ausgabe einer Banknote über eine Million Mark geplant. Es ist beabsichtigt, diese Note noch im Laufe des Montas Juli herauszubringen und damit vielfach geäußerten Wünschen der Industrie und Landwirtschaft zu entsprechen, die bei ihren heutigen nur noch in die Milliarden gehenden Transaktionen dieser großen Geldscheine bedürfen.
E.-Borbeck. (Viehmarkt.) Mittwoch, den 13 Juni, morgens 8 Uhr, auf dem Platz ander Kraftstraße, bei Wirt Vogelpoth, Verkauf von Schweinen, Schafen, Ziegen.
EVZ, Donnerstag, 14. Juni 1923. Trotz der eifrigen Nachforschungen der Kriminalpolizei ist es bis zur Stunde nicht gelungen, Licht in den rätselhaften Leichenfund an der verlängerten Rahmdörne zu bringen. Festgestellt ist inzwischen, dass die zerstückelte Leiche diejenige eines Mannes im Alter zwischen 28 und 40 Jahren ist.
Freitag, 15. Juni 1923. Dollarkurs 107730,- Mark.
In Bergeborbeck ist ebenfalls das gesamte Stationspersonal bis auf 2 Beamte ausgewiesen worden. Die Zahl der gestern in Katernberg ausgewiesenen Eisenbahner beträgt 68, unter diesen befindet sich auch ein Vater mit drei Söhnen, von denen einer im Kriege beide Beine verloren hat.
Sonntag, 17. Juni 1923. Dollarkurs 114.712,- Mark
EVZ, Dienstag, 19. Juni 1923. Baldiges Ende der Kälteperiode? Anhaltend warme, trockene Frühjahre sind in unserem Klimagebiet eine viel häufigere Erscheinung als nasskalte Wetter von wochenlanger Dauer, wie wir es in diesem Frühling und Vorsommer mit einer ungewöhnlichen Beständigkeit erleben.
EVZ, Mittwoch, 20. Juni 1923. Dollarkurs 139.650,- Mark
Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt
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