Vor 100 Jahren: Frau Krupp spendiert dem Volk Wald

0 29.06.2023

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Ernährungslage ist katastrophal

Essener Volkszeitung (EVZ), Dienstag, 3. Juli 1923. Trotzdem die Entstehung des Speldorfer Eisenbahnunglückes nicht geklärt ist, verhängte der kommandierende General über Duisburg, Mülheim und Oberhausen Sanktionen, die für die Lebensmittelversorgung des Industriegebiets von vernichtender Wirkung sind. Laut Anschlag ist nicht nur der Auto-, sondern auch der Fuhrverkehr gesperrt. Duisburg ist mit ihren großen Lagerhäusern bekantlich die Vorratskammer für das halbe Industriegebiet. Da der Eisenbahnverkehr vollständig unterbunden ist, ist es überhaupt nicht mehr möglich, das Industriegebiet mit Lebens- und Futtermitteln zu versorgen. Duisburg-Ruhrort ist ferner die Durchgangsstraße nach den großen Lebensmittelfabriken auf der linken Rheinseite. Die Zucker-, Oel-, Getreide-, Malzkaffee- usw. Versorgung ist hierdurch auch vollständig unterbunden.

Brotpreis steigt und steigt

EVZ, 3. Juli 1923. (Amtliche Bekanntmachung) Kleinhandelspreise für Brot ab 4. Juli. Schwarzbrot (4 Pfund) 3450 Mark, Feinbrot (4 Pfund) 3650 Mark, Graubrot (Kasseler, 4 Pfund) 3750 Mark. Essen, 3. Juli 1923. Der Oberbürgermeister

Essener Anzeiger verboten

EVZ, Donnerstag, 5. Juli 1923. Der "Essener Anzeiger" ist von der Besatzungsbehörde für zwei Monate bis zum 1. September verboten worden.

Bergeborbecker Knappen im Goldkranz

EVZ, 5. Juli 1923. Bergeborbeck. Am vorigen Sonntag feierte der hiesige St.-Antonius-Knappenverein den Gedenktag seines 50jährigen Bestehens. Nach dem Amte folgte im Hotel Kronprinz die Ehrung der Jubilare.

Geheimnisvolle Propaganda per Flugzeug

EVZ, Freitag, 6. Juli 1923. Geheimnisvolle Formen nimmt die von französischen Flugzeugen ausgeführte Flugblatt-Propaganda an. Am 3. Juli wurden über der Kruppschen Fabrik zahllose, weiße, rote und grüne Flugblätter abgeworfen, auf denen nur die drei Worte standen: "Noch drei Tage". Gestern wiederholte sich dasselbe Manöver und auf den Flugblättern stand: "Noch zwei Tage". Es ist natürlich unmöglich, in diesen Worten irgendeinen Sinn zu entdecken.

Schienen aufgerissen, Reichsbank besetzt

EVZ, 6. Juli 1923. Auf der Ruhrbrücke der stillgelegten Eisenbahnstrecke Kupferdreh-Werden haben die Franzosen die Eisenbahnschienen aufgerissen und sämtliche Laschen weggeschleppt. - Die hiesige Reichsbank ist heute abermals von den Franzosen besetzt worden. Die Großbanken haben geschlossen.

Nichts Neues unter der Sonne

EVZ, 6. Juli 1923. Alles ist schon dagewesen, denn eine alte Chronik berichtet: Anno Domini 1435 war es im Mai so kalt, dass sich weder Gras, noch Laub entwickelte. Pflaumen, Kirschen und Aepfel gelangten nicht zur Blüte, und es gab Menschen, die ihr Gottvertrauen verloren hatten. Am Tage Peter und Paul (29. Juni) endlich trat ein Umschlag ein; die Sonne schien hell und klar, tags war es warm und nachts regnete es süßlich.

Unhold auf Borbecker Friedhof

EVZ, 6. Juli 1923. Am Mittwochnachmittag zwischen 2 und 3 Uhr ist auf dem alten katholischen Friedhof in Borbeck an einem 8 Jahre alten Mädchen ein schweres Sittlichkeitsverbrechen verübt worden. Eine in die Nähe gekommene Frau, die das Schreien des Kindes vernahm, verscheuchte den Täter. Der Unhold ist entkommen.

EVZ, Samstag, 7. Juli 1923. Dollarkurs 175 560,- Mark.

Ein Brötchen kostet 500 Mark

EVZ, Samstag, 7. Juli 1923. Von Freitag ab kosten ein zweipfündiges Kasslerbrot 9500 Mark, das anderthalbpfündige Weißbrot ebensoviel, das dreieinhalbpfündige Schwarzbrot 11 250 Mark, ein Brötchen im Gewicht von 30 bis 35 Gramm 500 Mark.

Millionenstrafe für Hilfsbereitschaft

EVZ, Sonntag, 8. Juli 1923. Massenverhandlungen vor dem Werdener Militärpolizeigericht. Der Bergmann Heckmann und der 71jährige Berginvalide Springmann waren angeklagt wegen verbotenen Transportes von Kohlen. Sie hatten für eine Witwe mit 9 Kindern deren Deputatkohlen auf einem Karren von der Zeche zu deren Wohnung bringen wollen. Das Gericht erkannte auf 1 Million Mark Geldstrafe gegen Heckmann und 100 000 Mark gegen Springmann.

Frau Krupp spendiert dem Volk Wald

EVZ, Sonntag, 8. Juli 1923. Ein Stück Erholungsstätte ist geschaffen worden durch die Schenkung der Frau Geheimrat Krupp, die der Stadt Essen ein Waldgelände in Größe von 200 Morgen gespendet hat. Diese sogenannte Promenadenstiftung – man kann rund zwei Stunden nur durch Wald- und Grünflächen wandern – wird gebildet vom Waldstreifen, der vom Nachtigallental durchschwommen wird, entlang der Bahnanlage Essen-Rüttenscheid-Heißen vorbei, um in das Gebiet der Margaretentals zu enden, während der Sommerburg-Waldstreifen einen in der Mitte liegenden Zipfel bildet. Es wird von seiten der Stadtverwaltung dafür Sorge getragen, dass für Kinder genügende Grünflächen zum "Austoben" geschaffen werden.

Bildzeile zum Briefumschlag: 450 Mark Porto kostete ein Auslandsbrief Mitte 1923. Ein paar Monate später würden es zig Milliarden sein. (Sammlung A. Eickholt)

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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