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0 10.06.2025
Erholungssuchende, die die Siepentäler an der Stadtgrenze Essen/Mülheim erwandern, umgibt an der Heißener Straße unweit des Bahndamms eine wohltuende Ruhe: Es ist die Schnittstelle zwischen den Naturschutzgebieten Kamp- und Winkhausertal.
Der friedliche Eindruck erinnert heute nicht mehr an die mehr als traurige Vergangenheit.
Es war das Kriegsjahr 1939. Der sich schon unmittelbar nach Kriegsbeginn abzeichnende Mangel an Facharbeitern im Bergbau veranlasste die Leitung der Mülheimer Zeche Rosenblumendelle, an die Stadt Essen einen Bauantrag für einen „Wohnlagerbau Zeche Rosenblumendelle in E. – Borbeck“ zu richten.
Dieser „Wohnlagerbau“ sollte zunächst
gelten und auf einem Gelände errichtet werden, das vom Hang des Winkhausertals und dem unteren Straßenzug Brausewindhang/Heißener Straße bis hin zur alten Menage begrenzt ist.
Die Antragsteller verrieten nur scheibchenweise und erst nach Aufforderungen der Baubehörde, für wen die Wohnbaracke gedacht war. Die Bauakten im Stadtarchiv lesen sich in dieser Hinsicht wie ein Kriminalroman.
Der ursprüngliche Antrag vom 12. September1939 wurde für einen Wohnlagerbau an der Heißener Straße 222 gestellt.
Ein weiteres Gesuch um eine zusätzliche Baugenehmigung – vom 5. November 1940 – enthielt als Ziel die Errichtung einer Baracke zur Unterbringung von angeworbenen Bergleuten.
In der dem Antrag beigefügten Baubeschreibung wurde erläutert, dass diese Baracke der Unterbringung von auswärts angeworbenen Bergleuten diesen sollte. Aus dem zu diesem Antrag im selben Jahr getroffenen so genannten Dispensbescheid erfolgte eine weitere Präzisierung. Es sollte eine
Unterkunftsbaracke für alleinstehende Bergleute sein. Erneute Anträge für bauliche Erweiterungen sahen die Gebäude für ausländische Bergarbeiter vor.
Als für bauliche Erweiterungen von der Stadt Essen zusätzliche Auflagen gemacht wurden, wurde das Geheimnis um die Barackenbauten wieder einmal um einen kleinen Schritt gelüftet. Danach sollte – so der Antrag vom 14. Juni 1941 – der Bau zur Aufnahme von Ausländern für die Dauer der Kriegszeit errichtet werden.
In einem weiteren Schreiben vom 21. September 1942 wurde an der Eindeutigkeit des Zwangsstatus von in diesem Lager wohnenden Menschen kein Zweifel mehr gelassen. Es war ein Lager für Kriegsgefangene bzw. ausländische Arbeitskräfte.
Nach dem Krieg war im Jahr 1947 in amtlichen Unterlagen die Rede von einem Grundstück auf dem Gelände des ehemaligen Gefangenenlagers.
Neue Forschungen belegen, dass zwar nicht alle ausländischen Arbeitskräfte im Ruhrbergbau zwangsrekrutiert waren. Aber ab 1942 waren Ausländereinsatz und Zwangsarbeit im Ruhrbergbau identisch. Das heißt: Spätestens ab 1942 waren im Lager an der Heißener Straße 222 Zwangsarbeiter untergebracht.
Obwohl nach dem Krieg der Mülheimer Bergwerksverein die Baracken für ortsfremde ledige Bergarbeiter nutzen wollte – so der Antrag vom 9. August 1947 – verfügte die Stadt Essen den Abriss des gesamten Barackenlagers und machte damit baulich den Weg für die Jahrzehnte später erfolgte Unterschutzstellung des Winkhauser Tals als Naturschutzgebiet frei.
Am 17. März 1984 wurden der Essener Teil des Winkhausertals, die Schönebecker Schlucht und das Kamptal für den Naturschutz einstweilig sichergestellt. Schutzgründe waren die Erhaltung und Wiederherstellung eines naturnahen Zustandes der Siepentäler aus stadtökologischen und stadtklimatischen Gründen als eine von weiteren wichtigen Voraussetzungen.
Die Landkarte zeigt umrandet das Barackenlager („hutted camp“). Es handelt sich um eine Anfertigung britischer Behörden aus dem Jahr 1944. Der Zugang zum Lager erfolgte über einen Weg, der von der Heißener Straße – in der unteren rechten Ecke der Umrandung ersichtlich – ausging.
Genau diese Zuwegung besteht immer noch und ist auf dem aktuellen Photo zu sehen. Das Schild „Naturschutzgebiet“ ist von Grün überwuchert und deshalb nicht zu erkennen.
Wolfgang Sykorra
Quelle: Andreas Koerner, Klaus Scholz, Wolfgang Sykorra, Man war nie fremd. Die Essener Bergbaukolonie Schönebeck und ihr Stadtteil. Edition Rainruhr, Essen 2009
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