Meckern kann jeder!

Aber nicht jeder hat eine Ziege.

0 05.06.2023

BORBECK. Meckern kann jeder! Aber nicht jeder hat eine Ziege. Früher war das anders. In fast jedem Bergmannshäuschen wurde gemeckert. Die Ziege lief damals unter der Bezeichnung „Bergmannskuh“. Sie gab Milch wie die Kuh, weniger zwar, aber durchaus nahrhaft, und sie passte besser in den engen Stall oder Verschlag, den man für sie am eigenen Häuschen baute. Außerdem fraß sie einem nicht die Haare vom Kopf, sie gab sich mit wenig Futter zufrieden, ließ sich auch von kleinen Kindern am Strick zum Fressen an den Wegesrändern führen, hinterließ nach der Verdauung nur kleine und leicht zu entsorgende, wenn auch auf den ersten Blick mit Kaffeebohnen oder Salmiakpastillen zu verwechselnde Spuren, und erinnerte viele Bergleute an ihre masurische oder ostpreußische Heimat.

Mit den Bergleuten verschwand die Bergmannskuh

Die Ziege war ein wichtiger Bestandteil der Selbstversorgung in den kinderreichen Familien der Industriearbeiter, Bergleute und Kleinbürger. Verbreitet war in der Ruhrregion die Weiße Deutsche Edelziege, in anderen Bergbaugebieten, wie zum Beispiel im Erzgebirge, gab es die Erzgebirgsziege, auch „Schacht-Ziesch“ genannt. Es gab, auch in Borbeck, Ziegenvereine, Ziegenausstellungen und Ziegenmärkte.

Am Kirmesmontag fand in Borbeck traditionell die „Hippenkirmes“, eine beliebte Ziegenschau, statt. Auch in der Literatur spielt die Ziege eine nicht unbedeutende Rolle. Zum Beispiel bei Hermann Hagedorn oder bei Fred Endrikat, (1890-1942), Sohn eines Bergmanns, der seine Kindheit in Wanne und Eickel verbrachte und von dem das Ziegengedicht „Die Bergmannskuh“ stammt. In Borbeck erreichte der Ziegenbestand 1880 mit knapp 2.000 Exemplaren einen Höchstwert. Um 1940 sollen noch 5 Millionen Ziegen in Deutschland gemeckert haben, nach dem Krieg ließ das Meckern langsam nach. Das Ziegensterben ging auch an Borbeck nicht spurlos vorüber. 1958 verliefen sich in ganz Borbeck gerade einmal 14 Ziegen. Es ist nicht zu leugnen: Mit den Bergleuten ist die „Bergmannskuh“ verschwunden. FJG

Quellen: Andreas Koerner: Ziegen in Borbeck. In: Borbecker Beiträge 2/1994, S. 34/35.. – Andreas Koerner: Noch einmal – Ziegen in Borbeck. In: Borbecker Beiträge 2 (1996, S. 69-73. – Ludwig W. Woerdehoff: Die Ziege als Bergmannskuh. In: Borbecker Beiträge 1/2014, S. 12. – Hermann Hagedorn: Et in terra pax (Prosatext). Privatarchiv F.J. Gründges.

Das Bild oben zeigt Hermann Hagedorn mit seiner Ziege "Fridolin". Es wurde in Fretter aufgenommen.

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