Ein Pilz hat selber Appetit?

Wie Schopf-Tintlinge winzige Würmer fangen

0 29.10.2021

Pilze sind ganz besondere Lebewesen: Sie sind weder Pflanze noch Tier. Ihre Zellwände bestehen wie die Zellwände von Insekten aus Chitin und auch der grüne Farbstoff Chlorophyll – ein Kennzeichen der Pflanzenwelt - fehlt. Pilze können deshalb nicht – wie Pflanzen – aus Licht und Luft Kohlenhydrate herstellen. Das macht die essbaren unter ihnen zu einem kalorienarmen Vergnügen.
Wie Pilze aus dem Boden schießen derzeit die Schopf-Tintlinge. Sie sind auch in Borbeck häufig. Das Foto entstand an der Fußgänger-Gassigeher-Rad-Trasse. Der junge Schopf-Tintling ist appetitlich weiß; er gilt als ausgezeichneter Speisepilz. Diese Einschätzung ändert sich rasch. Der Schopf-Tintling ist nicht sehr haltbar. Kaum hat er seinen Fruchtkörper ans Tageslicht geschoben, beginnt er sich aufzulösen. Ein „alter“ Pilz zerfließt binnen weniger Tage zu einer tintenähnlichen Flüssigkeit.

Bei jungen Exemplaren ist der schneeweiße Hut ei- bis walzenförmig, fünf bis zehn Zentimeter hoch und drei bis sechs Zentimeter breit. Dann reißt die Huthaut durch das Wachstum auf und bildet kleine Schuppen. Mit zunehmenden Alter öffnet sich der Hut zu einem Glöckchen und wird am Rand beige, rosa und an der Spitze rötlich, bräunlich. Dann beginnt die Selbstauflösung (Autolyse) des Pilzes. Das ist ein Trick der Natur, um Sporen zu verbreiten. Sie tropfen einfach mit der dunklen Flüssigkeit auf den Boden. That‘s it. Außerdem werden die Sporen natürlich durch den Wind verbreitet.

Allerallerspätestens, wenn es vom Hut tintig tropft, lässt man die Finger vom Pilz.

Auch wenn man die Lieblingsstandorte dieser Art in der Stadt bedenkt, vergeht empfindsamen Gemütern vielleicht der Appetit. Der Schopf-Tintling gedeiht gerne auf Kompost- oder Müllhalden, am besten auf gedüngten Wiesen und an Wegrändern... Aber natürlich auch im Wald in einer dicken Humusschicht!

Eine Besonderheit soll noch erwähnt werden: Wie viele andere Pilze ernährt sich auch der Schopf-Tintling von abgestorbenen organischen Materialien. Er ernährt sich aber nicht nur saprotroph, wie die Pilzkenner das nennen. Er „fängt“ sogar kleine Fadenwürmer (Nematoden). Hierzu bildet der Schopf-Tintling an seinem Myzel (das ist ein an Wurzeln erinnerndes Geflecht im Boden) Fangorgane aus. Das sind kugelige Strukturen mit dornigen Auswüchsen. Dort scheidet er ein Gift aus, das Nematoden unbeweglich macht. Fadenförmige Pilzfäden besiedeln dann die Würmchen und „verdauen“ sie. Guten Appetit!

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