Das Schneeglöckchen braucht keine Heizung mehr

0 31.01.2020

Die ersten gab es an schon vor über zwei Wochen zu sehen. Jetzt wagen sich weitaus mehr Schneeglöckchen aus dem Boden. Um sie muss einem nicht bange sein. Auch wenn sie jetzt noch eine Ladung Schnee abbekommen sollten, würde das Galanthus nivals (so der wissenschaftliche Name) nichts ausmachen.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Schneeglöckchen über eine eingebaute „Heizung“ verfügen: Die Pflanze kann rund um Stängel und Blätter eine so genannte „Biowärme“ produzieren, die die Luft drumherum auf 8 bis 10 Grad Celsius erwärmt.

Der Sprössling kann sogar beim Austreiben den umliegenden Schnee zum Schmelzen bringen und durch die weiße Schicht an die Oberfläche gelangen. Doch seit einigen Jahren kann das Schneeglöckchen seine Heizung aus lassen.

Bis zu 30 Zentimeter hoch wächst das hübsche Blümchen, und es bringt pro Stängel eine weiße nickende Blüte hervor. Seine Zwiebel ist etwa so groß wie eine Haselnuss.

Anfangs umgibt ein Hochblatt die Blüte und schützt sie vor strenger Witterung. Die Blüte besteht aus drei weißen freien Kelchblättern, drei verwachsenen grünlich-weißen Kronblättern, sechs Staubgefäßen und einem Stempel. Die drei inneren Blütenhüllblätter sind viel kleiner als die drei äußeren und normalerweise grün gezeichnet.

Jedes Staubblatt trägt an der Spitze eine feine Borste. Erst wenn ein Insekt diese Borste berührt, rieselt der trockene Blütenstaub aus dem Beutelchen. Nachts und bei kaltem, regnerischen Wetter schließt sich die Blüte, damit Kälte und Nasse dem empfindlichen Pollen nicht schaden. Das Schneeglöckchen „schläft“.

Die Frucht des Schneeglöckchens ist eine Kapsel. Die fleischigen Anhängsel der Samen sind Nahrung für Ameisen. Die Winzlinge verschleppen die Samen, fressen das Anhängsel und lassen den Rest liegen, der zur gegebenen Zeit dann aufgeht. So dienen die kleinen Krabbeltiere der Verbreitung.

Das Schneeglöckchen vermehrt sich aber auch durch Brutzwiebeln und bildet mit der Zeit einen recht dichten Bestand (Horst).

Nicht ganz drei Monate braucht das Schneeglöckchen vom ersten Spross bis zur Samenreife. Eine derart kurze Wachstumsperiode hat kaum eine andere Blume.

Seit dem Mittelalter sind Schneeglöckchen in unseren Gärten als Kulturpflanze zu finden. Von hier aus haben sie sich in Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen ausgebreitet, vor allem in Laub- und Auwäldern.

Im Münsterland und Bergischen Land bilden sie auf Obstwiesen und hofnahem Grünland auffällige weiße Teppiche. Auch in Parks von Burgen, Klöstern oder Schlössern können große Bestände blühen, die den ersten Bienen und Hummeln reichlich Nektar bieten.

Fachleute diskutieren, welche „natürlichen“ Vorkommen von Schneeglöckchen in der Landschaft tatsächlich „natürlich“ sind, und welche alte Verwilderungen. Für Nichtfachleute bedeutet dies aber auf jeden Fall: Finger weg, denn Schneeglöckchen in „freier Wildbahn“ stehen unter Naturschutz.

Die Schneeglöckchenblüte markiert den Beginn des Vorfrühlings. Bei normaler winterlicher Witterung schreitet die Blüte in der zweiten Februarhälfte bis etwa Ende März von der Kölner Bucht aus rheinabwärts nach Norden und dann nach Osten fort. In die sich langsam erwärmenden Höhenlagen wagt sie sich mit einem durchschnittlichen Tempo von 30 Metern pro Tag. Beendet wird die „Vorfrühlingsreise“ durch Nordrhein-Westfalen am höchsten Punkt, dem Kahlen Asten. Dort können Besucher bei normaler Witterung etwa Mitte März die ersten Schneeglöckchen sprießen sehen.

Ökologen gilt die Pflanze als Anzeiger für Klimaveränderungen. Auf Grund der Erwärmung der Erde blüht sie in Süddeutschland bereits eine Woche eher als vor zehn Jahren - ein Trend, der sich auch in Nordrhein-Westfalen abzeichnet. Ausnahmen wie im Jahr 2010 kehren den Trend nicht um.

"Phänologie“ nennt man die Wissenschaft vom Einfluss des Wetters, der Witterung und des Klimas auf das Wachstum von Pflanzen und Tieren. Die Phänologie verbindet Biologie und Klimatologie miteinander. Wann kommen die Zugvögel zurück? Wann blühen Schneeglöckchen und Apfelbaum, wann färben sich im Herbst die Blätter des Ahorns, wann fällt das Laub? Das sind Fragen, die in der Phänologie gestellt werden. Da Tiere meist schwerer zu beobachten sind (sie machen sich gelegentlich auf und davon), sind die Pflanzen gern Mittelpunkt wissenschaftlicher Betrachtungen.

Um zu repräsentativen Ergebnissen zu gelangen hat der Deutsche Wetterdienst ein deutschlandweites Beobachtungsnetz aufgebaut. Naturkundler beobachten bestimmte Wildpflanzen, Forst- und Ziergehölze, landwirtschaftliche Kulturen und Obstgehölze. Seit 1951 werden solche phänologischen Beobachtungen aufgeschrieben. Zudem werden weltweit phänologische Daten in extra angelegten „Phänologischen Gärten“ erhoben. Das LANUV hat im Jahre 2007 einen Phänologischen Garten in NRW nach internationalen Standards in Recklinghausen eingerichtet. Einen weiteren gibt es in Düsseldorf und seit 2008 auf dem Gelände der LANUV in Essen. In diesen Gärten wachsen Pflanzen mit identischem Erbgut, d. h., die Schneeglöckchen im Essener Phänologischen Garten sind Klone der Schneeglöckchen in Recklinghausen und anderswo. Dadurch wird ein Einfluss des Erbguts auf den Eintritt bestimmter Entwicklungsstadien ausgeschlossen.

Zum Foto: Der grüne Fleck ist ein so genanntes Saftmal, ein Farbmal, das Insekten zu Nektar und Pollen führt,

 

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