Allerseelen: Ein Gedicht - op platt- von Hermann Hagedorn

Plattdeutsche Gedichte von Hermann Hagedorn - ins Hochdeutsche übertragen von Franz Josef Gründges

0 31.10.2021

Allerseelen

Dä Häe het’t gegaff! Dä Häe het’t genommen!

Der Herr hat es gegeben! Der Herr hat es genommen!

Em Fröhjoe send Berge van Bläumkes gekommen . . .

Im Frühjahr sind Berge von Blumen gekommen . . .

Em Härfs kom än Graff.

Im Herbst kam ein Grab.

Feind odder Frönd? Wä kann ’t seggen?

Feind oder Freund? Wer kann es sagen?

Manchen Ulligen wö ät vägönnt,

Manch armem Kerl wär es vergönnt,

wenn hä räuch onner dä Äre könn leggen.

dass er still unter der Erde liegen könnte.

Lott ons jo nech vägetten:

Lasst uns ja nicht vergessen:

Dä leiwe Doen hät’t öwerstohen,

Der liebe Tote hat‘s überstanden,

wie ’t ons noch magg gohen, wä kann ’t wetten!

wie es uns ergehen mag, wer kann es wissen!

Klauk es, wä ’t nemmt, wie ’t fellt;

Klug ist, wer’s nimmt, wie es kommt;

ät es wat gedoen en ’e Welt!

es ist was getan In der Welt!

On lott rauen, wat lett,

Und lass ruhen, was liegt,

on mak ät nech baa dä wichtig!

und nimm es nicht gar so wichtig!

Ät es al richtig wie Gott dät meck!

Es ist schon richtig, wie Gott es macht!

Ok vö di gett ät ärges än Sti’eken

Auch für dich gibt es einst einen Platz

onnert gräune Graß,

unter dem grünen Gras,

wo du di än spi’eken utrauhen kaß.

wo du dich etwas ausruhen kannst.

Sorg bloß, dat, wenn sö di brengt,

Sorge nur dafür, dass, wenn man dich bringt,

öwert oppene Graff än Vüegelken sengt;

über dem offenen Grab ein Vogel singt.

geht än godden Mensch tä Rauh,

Geht ein guter Mensch zur Ruh,

dä alle Welt tä Leiwe wo,

der der ganzen Welt lieb war,

dann sengt dän Vuegel, gottwollstau,

dann singt der Vogel, in Gottes Namen

Kenner, Lö’ikes, jo, jo, jo!

Kinder, Leutchen, ja, ja, ja!

Vor siebzig Jahren - am 2. November 1951 - wurde dieses Gedicht zum ersten Mal in den Borbecker Nachrichten abgedruckt. Der letzte Teil (ab „Ok vö di“) war bereits Jahre vorher in "Neues aus Essen" veröffentlicht worden. Es geht in dem Gedicht ums Sterben, den Tod,  das Begräbnis. Doch alles scheint halb so schlimm, wenn am offenen Grab ein Vögelchen singt.

Die plattdeutschen Gedichte des Dellwiger Heimatdichters Hermann Hagedorn (Bild rechts) hat Franz Josef Gründges ausgewählt und stimmungsvoll ins Hochdeutsche übertragen. - Das Rotkehlchen fotografierte Uwe van Hoorn

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