1923: Neuer Marktplatz in Borbeck umstritten

0 13.04.2023

Nichts Neues unter der Sonne? „Die Umgestaltung des Marktplatzes in Borbeck entspricht, wie sie geplant ist, nicht dem Geschmack der am Platze Wohnenden“, hieß es vor 100 Jahren. Die Umbaupläne fielen in eine dramatische Zeit. Zeitungen verboten, Arbeiter entlassen, Kanal lahmgelegt, Zechen besetzt …

Weitere Zechen besetzt

General-Anzeiger für Oberhausen und das nordw. Ruhrgebiet, Dienstag, 10. April 1923: Sonntag nachmittag wurden die Zechen 3 und 4 von Mathias Stinnes besetzt. Die Stadt Gladbeck ist dadurch ohne Gasbelieferung. - Gestern vormittag wurde der Bahnhof Steele-West besetzt; das gleiche Schicksal traf die Zeche Deimelsberg. Ferner wurden noch folgende Zechen besetzt: Katharina, Joachim, Elisabeth (in Frillendorf). Nach franz. Angaben sind insgesamt 18 Zechen besetzt worden.

 

Rhein-Herne-Kanal gesperrt

Herne. Die Schleuse Nr. 7 des Rhein-Herne-Kanals wurde unbrauchbar. Der Kanalbetrieb ist infolgedessen lahmgelegt.

In der Krupp-Hauptverwaltung an der Altendorfer Straße fand die Trauerfeier für die Arbeiter statt, die am Karsamstag nur wenige hundert Meter entfernt erschossen worden waren.

 

Hunderttausende säumten die Straßen

Niederrhein. Nachrichten, Mittwoch, 11. April 1923. Essen, den 10. April 1923. Die Stadt des Fleißes und der Arbeit trauert. Die Geschäfte sind geschlossen, Handel und Wandel ruht. Es trauert auch die Gußstahlfabrik; still, wie tot liegt das riesige Werk da, das sonst von Hammerschlägen und dem Sausen der Maschinen durchdröhnt wird. Vom Turm des Hauptverwaltungsgebäudes wehen auf Halbmast schwarze Fahnen. Am Eingang sind zwei Säulen mit ehernen Becken eingebaut, aus denen düstere Flammen emporschlagen. Im Lichthof des Gebäudes stehen

die Särge der am Karsamstag erschossenen Arbeiter.

(...) Dann ergreift Dr. Krupp von Bohlen und Halbach das Wort zur Traueransprache:

(...) „Ehre dem Andenken der Gefallenen; auch sie starben für deutsche Freiheit, für deutsche Würde und für deutscher Arbeit Verantwortung; ihr Leben und Sterben bleibe ein Baustein zu Deutschlands Zukunft. Das walte Gott!“

Die Sargträger kommen, die Kränze werden aufgehoben. Herzzerreißend ruft ein schluchzendes Mädchen im Jammerton immer wieder: Vater! Vater! Vater! Helfer vom Roten Kreuz suchen sie zu beruhigen. Langsam entfernt sich die Trauergemeinde, während gleichzeitig von allen Türmen der Stadt Essen und des ganzen Deutschen Reiches ein allgemeines Trauergeläut beginnt.

(...) Um 11.45 Uhr langte der Zug an der Ecke Friedrich- und Kruppstraße an, an der Spitze die weit über 300 Fahnen, darunter auch auswärtige und viele Sowjetfahnen und solche von christlichen, sozialdemokratischen und demokratischen Gewerkschaften, Jugend- und Knappenvereinen. Um 1 Uhr erreichte der stundenlange Zug den Ehrenfriedhof. Um die ganze Trauerstraße hatten sich, ebenso wie um den Ehrenfriedhof, hunderttausende von Menschen angesammelt. (...) Erst nach 3 Uhr nachmittags fand die gewaltige Trauerfeier ihr Ende, die größte Kundgebung dieser Art, die jemals in Essen stattgefunden hat.

 

Trauerfeier im Berliner Reichstag

Zur gleichen Stunde, wo in Essen die 12 Opfer französischer Kugeln von Ostersamstag in ein gemeinsames Grab auf dem Ehrenfriedhof gesenkt wurden, hatte eine Einladung der Reichsregierung im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes, auf dessen Dach die schwarz-rot-goldene Flagge auf Halbmast wehte, eine Trauerversammlung vereint, welche die Sitze des Saales und die Tribünen bis zum letzten Platz füllte. (...) Punkt 10 Uhr erschien der Reichspräsident. Dann folgte eine Ansprache des Reichskanzlers. (Reichskanzler Cuno bezeichnete darin die 12 Toten als „Märtyrer von Essen“.)

 

Sabotage an der Eisenbahn

Volksstimme, Niederrhein. Arbeiter-Zeitung, Donnerstag, 12. April 1923. Essen, 11. April 1923. Infolge des Sabotageaktes an der Eisenbahn zwischen Werden und Kettwig bestimmte der General der 27. Division, dass der Verkehr von Fahrzeugen aller Art und Fahrrädern zwischen 7 Uhr abends und 7 Uhr morgens zwischen Werden und Kettwig verboten ist.

 

Essener Volkszeitung weiter verboten

Essen, 11. April 1923. Das Verbot des Erscheinens der „Essener Volkszeitung“, das zunächst auf 8 Tage bis zum 12. 4. erlassen war, ist von der Besatzungsbehörde bis zum 3. Mai verlängert worden.

 

Borbecker Zinkhütte straft Arbeiter ab

Essen, 11. April 1923. Auf der Zinkhütte (Vieille-Montagne), ein belgisches Unternehmen, sind 150 Arbeiter wegen Teilnahme an der gestrigen Beisetzung der am Karsamstag Getöteten entlassen worden.

 

Neuer Marktplatz in Borbeck umstritten

Niederrhein. Nachrichten, Samstag, 14. April 1923. Die Umgestaltung des Marktplatzes in Borbeck entspricht, wie sie geplant ist, nicht dem Geschmack der am Platze Wohnenden. Es ist uns deshalb ein Schreiben zugegangen, das sich mit der Umgestaltung beschäftigt und vielerlei gewichtige Gründe für die Ablehnung ins Feld führt. Wir haben die maßgebende Stelle in der Stadtverwaltung gebeten, der Oeffentlichkeit die gewünschte Aufklärung zu geben, von der Meinung ausgehend, dass auch in diesem Falle die fertiggestellte Anlage wesentlich anders aussehen wird, als man das bei den Umbauarbeiten vermutet. Auch die Marktveränderung in Borbeck fällt unter die Notstandsarbeiten, die zur Beschäftigung Erwerbsloser dringend erforderlich sind. Sobald wir nähere Aufklärung erhalten haben, werden wir auf diese Angelegenheit eingehender zurückkommen.

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