Vor 100 Jahren: Nothilfe sammelt für Borbecker Volksküchen

0 08.05.2024

BORBECK. Miserable Zeiten: Wohin geht die Reise im Revier? Solidarität ist mehr denn je gefragt. Was vor 100 Jahren bewegte: Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen, zusammengestellt von Andreas Eickholt ...

Nothilfe sammelt für Borbecker Volksküchen

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Samstag, 3. Mai 1924. Der Zentralausschuss der Essener Nothilfe musste seit einiger Zeit dazu übergehen, Haussammlungen zu veranstalten, um durch diese es zu ermöglichen, die in vielen Familien herrschende Not zu lindern und die bisherige Form der Unterstützungen in den Volksküchen aufrechterhalten und fortsetzen zu können. Die ehemalige Gemeinde Borbeck, die in Verbindung mit dem Zentralausschuss seit geraumer Zeit 6 Küchen unterhält, hat in der verflossenen Zeit manche Not lindern können.

Soll aber dieses Werk der tätigen Nächstenliebe nicht zum Erliegen kommen, so bedarf die Borbecker Notgemeinschaft der Hilfe der gesamten Bürgerschaft. Zu diesem Zwecke sollen auch in der Gemeinde Borbeck Haussammlungen eingerichtet werden, vornehmlich bei den Bürgern, die sich noch gesicherter und fester Einnahmen erfreuen. Die Borbecker Notgemeinschaft gibt sich der freudigen Hoffnung hin, in den genannten Kreisen Verständnis und Beihilfe zu finden.

Germania ohne künstlerischen Wert

EAZ, Sonntag, 4. Mai 1924. (Betrachtung über Essener Plätze.) Zum Schlusse sei dann noch auf den Borbecker Germaniaplatz aufmerksam gemacht. Hier haben wir es mit einer Zieranlage zu tun, die freilich nicht den Verkehr stört, wie das beim Limbecker Platz der Fall ist. Das Grün der Bäume und der Sträucher fügt sich sehr glücklich dem Straßenbild ein. Der Platz wirkt wie eine freundliche Oase mitten im hastigen Getriebe der Eisen- und Zinkhütten. Das Standbild der Germania hat zwar kaum künstlerischen Wert, es streift hart den Charakter der Fabrikware, aber einen alten Diener, der so lange treue Dienste getan hat, den darf man nicht achtlos beiseite schieben. Wer weiß übrigens, wie die neue Germania aussehen würde, die aus einer heutigen expressionistischen Künstlerwerkstatt hervorginge?

Aussperrung im gesamten Ruhrbergbau

EAZ, Mittwoch, 7. Mai 1924. Das Wolffbüro meldet: Die Bergwerksbesitzer haben infolge der Beschlüsse der Bergarbeiterorganisationen in Bochum und Essen seit gestern Abend 6 Uhr die gesamten Belegschaften ausgesperrt. Seit dieser Zeit ruht die Arbeit auf sämtlichen Zechen des Rheinisch-Westfälischen Industriegebiets.

Gestern tagte in Essen die Konferenz des Gewerkvereins Christlicher Bergarbeiter Deutschlands, um zu der im Ruhrkohlenbergbau neu geschaffenen Lage Stellung zu nehmen. Die Konferenz beschloss nach mehrstündiger Beratung, die unter Mitwirkung des Reichsarbeitsministers in Hamm zustande gekommenen Beschlüsse abzulehnen und an der siebenstündigen Schicht festzuhalten, wie es die gestern in Bochum abgehaltene Konferenz des alten Bergarbeiterverbands ebenfalls beschlossen hat.

Die Stimmung, die auf der Konferenz des Gewerkvereins zum Ausdruck kam, war sehr erregt und ließ erkennen, dass auch in den Reihen der christlichen Bergleute allgemeine Erbitterung über die jüngsten Maßnahmen im Kohlenbergbau Platz gegriffen hat (...)

Muttertag: Ein amerikanischer Unfug!

EAZ, Donnerstag, 8. Mai 1924. (Leser-Zuschrift) Alle Essener Zeitungen weisen auf den kommenden Muttertag hin. Schulen und Familien, man weiß nicht in welchem Umfange, rüsten für den nächsten Sonntag. Und doch muss einmal deutlich und öffentlich gesagt werden, dass dieser Muttertag ein amerikanischer Humbug ist. In Amerika, wo alles Große ins Triviale und Groteske gezogen wird, mag eine solche künstliche Veranstaltung nach dem Geschmack der Masse sein. Wir Deutschen sollten uns zu gut halten für solchen Schwindel.

Zwar weisen die deutschen Väter dieses genialen Gedankens darauf hin, dass man aus der Straßenveranstaltung in Amerika bei uns eine allgemeine private Familienfeier machen will. Aber eine Feier, die so durch die Presse in aller Öffentlichkeit bekannt gemacht, durch Schule und Kirche vorbereitet wird, sich an alle Familien mit Kindern wendet, verliert den Charakter einer privaten Feier und wirkt ganz von selbst aufdringlich nach außen. Man versteht nicht, wie Tausende deutscher Mitbürger, vor allem auch Leute in verantwortlichen Stellen, diesen amerikanischen Geschmack mitmachen können. Aber wir Deutschen lernen nun einmal nichts anderes. (...)

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